Amalgam-Informationen

© PFAU e.V. Karlsruhe
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Amalgam-Rundbrief

Nr. 10

Januar 1998


Inhalt

Teil 1

Vorwort

Ganzheitliche Zahnärzte auf Seite der Betroffenen?

Wie patientenfreundlich ist die GZM?

GZM-Studie zum Schaden der Patienten

GZM gegen Seehofer: Deutliche Position in der Amalgamdiskussion

Ganzheitliche und naturheilkundliche Zahnärzte heute

Meine "Amalgamgeschichte" für PFAU e.V .

Das Kieler Amalgamgutachten 1997

Quecksilberbelastung und Fruchtbarkeitsstörungen - Diagnose und Therapieansätze

Vimy-Studie aus Calgary: Quecksilber in der Muttermilch

Juristische Aspekte der Amalgam Problematik

Teil 2

Buchbesprechung: „Umweltkrank ?" von Dr. med. Harald Bessler

Kurzberichte

Schweizer Verein Amalgamgeschädigter von Kürzungen betroffen

Amalgam-Tagung in Freiburg, 22.11.97

Verschwindet Amalgam in der Schweiz ?

Bücherneuerscheinungen

Schadstoffe/Umweltgifte

Krank durch Medikamente: Beispiel Malaria-Prophylaxe Lariam®

Initiative gegen Gift-Projekte des Pharma-Konzerns BAYER

Umzug des Bundesgesundheitsministeriums wegen Innenraumgiften 1992

Neues von PFAU e. V.

Rückblick auf 1997

Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Neurodermitiskranker

Vortrag von Dr. G. Ionescu, Spezialklinik Neukirchen

„PFAU-Selbsthilfeliste" als Austausch-Forum für Amalgam- und Schadstoffgeschädigte

Veranstaltungen

Aktion Selbsthilfeliste

Beitrittserklärung

Informationsbestellung

Impressum

 


Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

vorab möchten wir Ihnen nachträglich ein frohes und vor allem gesundes Jahr 1998 wünschen.

Für viele betroffene Patienten ging das Jahr 1997 mit dem bitteren Gefühl zu Ende, daß es ein verlorenes Jahr war, ein Jahr der Untätigkeit und Diskussionen, die nur ein Ziel hatten: die offensichtlichen Fakten zu verwischen und das Risikobewußtsein gegenüber Schadstoffen auf ein ökonomisch vertretbares Maß zu reduzieren.

Obwohl wir als Mißerfolg verbuchen müssen, daß Amalgam in Deutschland noch immer nicht verboten, sondern im Gegenteil wieder als Regelversorgung rehabilitiert wurde, hat sich die Bevölkerung fast geschlossen gegen Amalgam entschieden. Wenn auch der Großteil der Patienten noch keinen sofortigen Amalgam-Austausch erwägt, so würden sich rund 80 % bei entsprechender Wahlfreiheit kein Amalgam mehr legen lassen.

Dies macht deutlich, daß hier Politik gegen die Bevölkerung betrieben wird, deren Betroffenheit unverhohlen als Massenpsychose bezeichnet wird.

Daß hierbei vor allem Zahnärzte-Vertreter auf Entscheidungen einwirken, macht deutlich, wie wenig es in der Amalgam-Frage um eine seriöse Lösung geht. Denn offizielle Zahnärzte-Vertreter beteiligen sich nicht aufgrund ihrer toxikologischen Fachkompetenz an der Diskussion, sondern allein deshalb, weil sie den betreffenden Stoff herstellen und/oder verarbeiten und damit konsequenterweise ein persönliches Interesse verbinden. In den Diskussionen um Asbest, Pentachlorphenol, Lindan oder Radioaktivität wäre das Mitwirken von Zahnärzten an Entscheidungsprozessen undenkbar gewesen.

Da es jedoch weder der EU-Kommission noch dem Bundesgesundheitsministerium gelingt, Interessengruppen von Experten zu unterscheiden, gilt es, deutlich zu machen, daß die einzige Interessengruppe, die wirklich Gewicht hat, die betroffene Bevölkerung ist und diese sich seit langem gegen Amalgam entschieden hat.

Wir möchten uns für den Zuspruch und die Unterstützung der vielen Betroffenen herzlich bedanken und ihnen versichern, daß sie nicht alleine kämpfen und durch ihr Mitwirken mehr und mehr Bewegung in die scheinbar festgefahrene Diskussion gebracht haben.

Alles, was derzeit politisch in der Amalgam-Frage entschieden wird, ist nicht mehr als das Krisenmanagement in einer Sache, die bereits seit langem entschieden ist: Das Verschwinden des Amalgams vom Markt und die medizinische Behandlung der Opfer.

Christian Zehenter, 1. Vorsitzender

Ganzheitliche Zahnärzte auf Seite der Betroffenen ?

Christian Zehenter

Wie patientenfreundlich ist die GZM ?

Die Mitglieder (praktizierende Zahnärzte) der „Internationalen Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin" (GZM, Mannheim) werden von vielen Amalgam-Opfern zur Zahnsanierung aufgesucht und zur Entgiftung befragt. Allerdings war die GZM, von der sich vor einigen Jahren der „Bundesverband der niedergelassenen naturheilkundlich tätigen Zahnärzte" BNZ (Köln) getrennt hat, in der Amalgam-Debatte bis 1996 nur am Rande aktiv.

Obwohl bei Anfragen bereitwillig regionale Mitgliederlisten verschickt werden, kann die Gesellschaft bis heute nicht garantieren, daß GZM-Zahnärzte sich mit der Problematik besonders auskennen, noch überhaupt die elementarsten Schutzmaßnahmen bei der Amalgam-Entfernung beachten. Zudem konnte die GZM ebenso wie ihr kleiner „Bruder" BNZ bis heute ihren Mitgliedern nicht vermitteln, daß Zahnärzte keine Entgiftung durchführen dürfen. In der Praxis haben es sich diese in vielen Fällen nämlich zur Gewohnheit gemacht, zum Teil ohne umweltmedizinische Grundkenntnisse „speziell ausgetestete" Entgiftungsverfahren mittels Homöopathie, Wellen oder Kräutern zu praktizieren, deren Mißerfolge in der Praxis leider unübersehbar sind.

Viele GZM-Mitglieder und ganzheitliche Kollegen haben sich in der Praxis durch das vorschnelle Einbringen teurer Goldlegierungen (mit Verträglichkeitstest) zu überhöhten Preisen hervorgetan, was einem beträchtlichen Teil der bereits vorgeschädigten Patienten nicht nur ein Vermögen, sondern einen Teil der Gesundheit kostete.

Daher erhielten betroffene Patienten den berechtigten Eindruck, daß das Etikett „ganzheitlich" bzw. „naturheilkundlich" in der Zahnarztpraxis häufig eher eine Marketingmaßnahme als eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der Auswirkung von Belastungen auf den Körper darstellt.

 

GZM-Studie zum Schaden der Patienten

Im Einklang mit dieser Zweideutigkeit stand die am 18.11.1996 vorgestellte „Studie" von GZM-Zahnärzten, die durch eine Befragung von 6744 Patienten im Rahmen des „Münchner Modells" ermittelten, daß es zwischen Krankheitssymptomen und der Zahl der Amalgamfüllungen keinerlei Zusammenhang gebe.

Die Ergebnisse (zuletzt veröffentlicht in „Das Beste", „Die Amalgam-Lüge", 9/97):

Die Beschwerdehäufigkeit und -intensität bei Patienten mit und ohne Amalgamfüllungen sei gleich.

Es ergebe sich kein Zusammenhang zwischen der Zahl der Amalgamfüllungen und den Beschwerden. Sie hätten nicht mit der Anzahl der Füllungen zugenommen.

Patienten, die bereits eine Amalgamsanierung hinter sich hatten, hätten insgesamt geringfügig weniger Beschwerden als Patienten vor der Sanierung.

Damit lieferte die GZM als alternative Fraktion vielen Amalgam-Befürwortern endlich eine wichtige Grundlage für eine Gegenkampagne, die mit Pauschalvorwürfen gegen die Tübinger Amalgam-Studie begann und in die Psychiatrisierung betroffener oder besorgter Patienten mündete.

So schreiben die Autoren Keudell und Fasel des „Das-Beste"-Artikels „Die Amalgam-Lüge" im September 97: „Zu Hilfe kommt den Wissenschaftlern des „Münchner Modells" dabei eine Studie zur Amalgamsanierung, die sie 1995 zusammen mit der Internationalen Gesellschaft für ganzheitliche Zahnmedizin durchgeführt hatten. (...) Die ersten Ergebnisse haben selbst erbitterte Quecksilbergegner von einst nachdenklich gemacht."

Weitere Artikel erscheinen mit Titeln wie „Neue Studie nimmt Amalgam in Schutz" (BNN, 19.11.96).

Zum einen scheint es grotesk, daß die Studie gemäß den Vorgaben des Münchner Modells überhaupt nicht hätte veröffentlicht werden dürfen. Der Vorsitzende des Modells Prof. Dr. Melchardt verweigerte gegenüber PFAU e.V. jede Information über die Inhalte des Projekts und teilte - paradoxerweise fast ein Jahr nach Bekanntgabe der GZM-Ergebnisse aus dem Münchner Modell - mit, daß aus Gründen der Seriosität keine Ergebnisse im Vorfeld bekanntgegeben werden dürften. Offenbar meinte der Vorsitzende: „Keine Ergebnisse, die zu einer kritischen Reaktion der Öffentlichkeit führen".

Zum anderen muß auf einen fahrlässigen Fehler hingewiesen werden : Der eindeutige und offensichtliche Zusammenhang bei Amalgamvergiftungen besteht natürlich nicht zwischen der Zahl der Amalgamfüllungen und den Symptomen, sondern zwischen den Quecksilberwerten im Speichel und den Symptomen. Die Speichelwerte weisen wiederum direkt auf die Quecksilberdampf-Werte hin, die für die - vornehmlich hirnorganische - Schädigung hauptsächlich verantwortlich sind.

Warum die GZM nicht die Speichelwerte sondern die Zahl der Füllungen der Studie zugrunde legte, bleibt völlig unverständlich. Viel mehr als durch die Zahl der Amalgamfüllungen wird die Quecksilberbelastung durch den Zustand der Füllungen, die Anwesenheit andere Metalle, Mundhygiene und die Ernährung beeinflußt.

Unverständlich ist weiterhin, wieso nicht die Art der Amalgamentfernung (mit/ohne Schutz) sowie der Belastungsgrad der Kontrollgruppe (ohne Amalgam), z.B. mit Palladium, Indium, Amalgam unter Kronen, etc.) bei den aufgeführten Patientengruppen berücksichtigt wurden.

Bis heute weigert sich die GZM, PFAU e. V. über diese Punkte Auskunft zu geben.

 

GZM gegen Seehofer: Deutliche Position in der Amalgamdiskussion

Angesichts des unter der Schirmherrschaft des Bundes-Gesundheitsministeriums im Herbst 1997 veröffentlichten Konsenspapieres, dessen Ziel offensichtlich die Verwässerung von Einschränkungen und die Zerstreuung von Risikobewußtsein in der Öffentlichkeit war, wurde die GZM deutlicher und veröffentlichte mehrere kritische Stellungnahmen, die die Verharmlosung der Amalgam-Problematik scharf verurteilen.. Dr. W.H. Koch von der GZM schreibt darüber in „GZM: „Nicht mit uns !"":

„Im Juli und November letzten Jahres fanden beim Bundesgesundheitsminister Seehofer Fachgespräche zur zahnärztlichen Füllungstherapie (Thema Amalgam) statt, zu denen auch die internationale Gesellschaft für Ganzheitliche Zahn-Medizin (GZM) geladen war. Die GZM konnte der unter dubiosen Umständen entstandenen Schlußfassung des Konsenspapieres aus massiven fachlichen Bedenken heraus nicht zustimmen. (...)

Von Beginn der Fachgespräche an sei deutlich geworden, daß das Bundesministerium die inzwischen weltweit wissenschaftlich belegten toxischen Risiken des Amalgams heruntergespielt haben wollte. Die Bevölkerung solle so in vermeintlicher Sicherheit gewiegt werden. Dieser Strategie sei die GZM im Interesse der öffentlichen Gesundheit entschieden entgegengetreten.

Statt auf die konkreten und gut dokumentierten Risiken des Amalgams einzugehen, habe Seehofer einen Nebenkriegsschauplatz eröffnet, indem er undifferenziert und nebulös auf Unsicherheiten und wissenschaftlich nicht belegte Risiken der anderen Materialien verwiesen habe. Die GZM könne sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die Bevölkerung so bewußt von dem Gefahrenpotential des Amalgams abgelenkt werde. Ihr würde suggeriert, angesichts der vermeintlichen Risiken der Alternativmaterialien mit dem Füllstoff Amalgam noch relativ gut „bedient zu sein". (...)

Die aus Bonn nach Berlin angereisten Ministerialbeamten und die offizielle Standesvertretung hätten in den Gesprächen dafür gesorgt, daß die bisherigen Anwendungseinschränkungen durch Allgemeinplätze und inhaltslose Formulierungen verwässert worden sein."

Im Folgenden wird über die Abwiegelung von Bedenken der GZM und des Bundesinstituts für Arzneimittel BfArM hinsichtlich der Auswirkungen von Amalgam auf Kleinkinder und Kinder berichtet, die - paradoxerweise unter Mitwirkung des BfArM - in weiteren Diskussionen versandeten.

Schließlich schreibt Koch:

„Eine besonders prekäre Situation entstehe für die GZM aus dem Umstand, daß Vertraulichkeit über die Gespräche vereinbart wurde. Sie sei dadurch gezwungen, zu den Details dieser Machenschaften zu schweigen. Offenbar mißverstünden Ministerium und BfArM dieses Schweigen als Freibrief zur Durchsetzung politischer Vorhaben auf Kosten der wissenschaftlichen Wahrheit. An Manipulationen dieser Art könne und wolle sich die GZM nicht beteiligen."

(W.H. Koch, „Konsenspapier Restaurierungsmaterialien: GZM: „Nicht mit uns !", Mannheim, 1997)

Da die GZM sich im Gegensatz zum BNZ rechtzeitig aus der Arbeitsgruppe zurückzog, konnte sie verhindern, daß das entstandene, deutlich manipulierte Papier mit ihrem Namen unterstützt wurde und so der Eindruck eines einhelligen Konsenses entstand.

Nach der Veröffentlichung des Konsenspapieres distanzierte sich der BNZ-Vorsitzende Prof. Dr. Becker (Köln) ebenfalls vehement von den seiner Ansicht nach manipulierten Ergebnissen der Konsensgespräche.

 

Ganzheitliche und naturheilkundliche Zahnärzte heute:

Obwohl GZM und BNZ bis heute die betroffenen Patienten und die von ihnen gegründeten Initiativen nicht unterstützen und elementare Maßnahmen im Rahmen der Amalgamsanierung und -entgiftung vernachlässigen, haben sie durch die politische Aktivität anläßlich des Konsenspapieres und des Kieler Amalgam-Gutachtens zu einer weiteren Entwicklung der kritischen Diskussion und vielleicht zu einem Amalgamverbot beigetragen.

Würden sich beide Organisationen für eine patientenorientierte Politik und für verläßliche Standards in der Behandlung Amalgam- und Umweltgiftgeschädigter entscheiden, wäre die Wahl eines entsprechenden Zahnarztes für Betroffene leichter (ein erster Schritt in diese Richtung war die Unterteilung der GZM-Zahnärztelisten in Mitglieder mit und ohne spezielle naturheilkundliche Fortbildung). Dies würde im Umkehrschluß ebenso den Ausschluß von Mitgliedern (bzw. die Streichung aus den Adressenlisten) bedeuten, die diese Grundsätze umweltmedizinischer Behandlung mißachten.

Doch solange derartige Veränderungen nicht in die Praxis umgesetzt werden, bietet die Behandlung durch Zahnärzte mit den Titeln „ganzheitlich" oder „naturheilkundlich" dem Amalgam- bzw. Schadstoff-Geschädigten in der Praxis keinen unmittelbaren Vorteil.

 

Meine "Amalgamgeschichte" für PFAU e.V .

Silvester, 1997

Renate Wegener

An einem Morgen im Februar 1994, ich war damals 35 Jahre alt, hatte ich eine halbseitige Gesichtslähmung. Die Umschulung ging vor! Ich ging zur Schule. Erst zwei Tage später, als nichts mehr von der "flüchtigen Gesichtslähmung" zu sehen war, suchte ich den Arzt auf. Er notierte sich den Fall und unternahm nichts. Ich auch nicht.

Im Juli 1995 mußte ich mir in Istanbul stabile Schuhe kaufen, weil ich nicht mehr richtig gehen konnte. Ständig stolperte ich. Ich dachte, es sei die Hitze, das Klima, der Flug ...

Wieder daheim, hörten die Beschwerden nicht auf. In den Ferien unternahm ich lange Spaziergänge, um die verlorengegangene Kondition wieder zu finden. Ich dachte, es sei das viele Sitzen, das mich faul und unbeweglich werden ließ ...

Mit großer Mühe brachte ich die mündliche Prüfung im Sept.95 hinter mich; inzwischen hatte ich nicht nur Schwierigkeiten mit meiner gesamten linken Körperhälfte, auch die Konzentration litt inzwischen. Psychisch ging es mir immer schlechter.

Ich zweifelte an mir, hielt mich für eingebildet krank und überempfindlich.

Auf Drängen meiner Tochter suchte ich den Arzt auf, der mich zum Neurologen überwies. Nach einer Kernspintomographie wurde ein Schlaganfall diagnostiziert. Krankengymnastik und ASS 100 (gegen das Verklumpen der Blutplättchen) wurde verordnet.

Meine Suche nach einem Arbeitsplatz hatte recht schnell Erfolg. Ich konnte zwar keine Stelle als Betriebswirtin finden, aber immerhin fand ich einen Arbeitsplatz im kaufmännischen Bereich.

Ich war froh, beruflich gefordert (abgelenkt) zu werden, merkte aber bald, daß ich schon mit leichten Aufgaben überfordert war.

Ich konnte immer schlechter gehen, knickte um, stolperte, fing an zu Torkeln. Auch die linke Hand hatte keine Kraft mehr. Ich ließ alles fallen. Im März 1996 hatte ich dann auf der linken Seite totale Muskelatrophie. Nach und nach hatten sich die Muskeln zurückgebildet - ich hatte es gar nicht bemerkt. Ich bekam Krankengymnastik verordnet. Ich arbeitete also voll, nahm die vielen Termine (Krankengymnastik, Arzt, Neurologe, Röntgen, Heilpraktiker, Hautarzt wegen Allergien und Pilzinfektionen, Zahnarzt, ...) möglichst außerhalb der Arbeitszeit war, und entschloß mich zudem, 2 x wöchentlich ins Fitness-Center zu gehen. Ich wollte meinen "inneren Schweinehund" besiegen.

Mittlerweile hatte ich immer stärkere Konzentrationsprobleme. Ich bekam Schwierigkeiten, das richtige Wort zu finden und es richtig auszusprechen. Ich vergaß manchmal mitten im Satz, wovon ich sprach und wußte nicht mehr weiter. Alles wurde immer mühsamer für mich. Körperliche und geistige Tätigkeiten ermüdeten mich ungemein. Ich mußte mich immer öfter hinlegen, schlief dann auch sofort ein. Wenn ich dann wach wurde, hatte ich Probleme, mich "wiederzufinden". Zeitweise schlief ich nachts 12 Std., und bis zu 4 Std. tagsüber, wenn es irgendwie möglich war. Dennoch brachte ich es nicht fertig, mich krank zu melden. Ich wollte doch meinen Arbeitsplatz nicht verlieren! Mehrmals wurde ich von meinem Chef gerügt, weil er mit meiner Arbeit nicht zufrieden war.

Ich wurde immer nervöser. Jetzt schluckte ich Johanniskraut, um die innere Ruhe wieder zu finden, nahm Stärkungspräparate (Knoblauch, Gingseng), um meine Kräfte zu aktivieren. Da meine Bemühungen erfolglos blieben, suchte ich einen Heilpraktiker auf. Er stellte fest, daß ich eine Mykose hatte, und er empfahl mir eine Zahnsanierung. Den (Mykose-)Zungenbelag hatte ich bereits seit meinem 15.Lebensjahr. Damals hatte ich Penicillin gegen eine Angina bekommen. Kein Arzt, den ich bisher darauf angesprochen hatte, fand das behandlungsbedürftig.

Ich bekam Ernährungsratschläge und Tabletten gegen die Pilze. Zudem bekam ich einige Spritzen, die meine Abwehr steigern und mein Verlangen nach Nikotin einschränken sollten. Da die Kosten nicht von der Krankenkasse übernommen wurden, suchte ich einen naturheilkundlichen Arzt auf, der mir zu einer Ozon- und Enzymtherapie riet. Diese Kosten übernahm zum Teil die Krankenkasse. Auch dieser Arzt empfahl eine Zahnsanierung.

Ich fragte mich, was die wollen? Ich putze die Zähne täglich, oft mehrmals. Ich gehe auch jedes Jahr zum Zahnarzt.

Ich war mir keiner Schuld bewußt.

Obwohl ich "uneinsichtig" war, ging ich zum Zahnarzt und bat ihn, alle Amalgamfüllungen zu entfernen, und durch Gold bzw. Keramik zu ersetzen. Widerwillig ließ er sich darauf ein, arbeitete sogar mit Kofferdam. Ich habe zwischenzeitlich einen anderen Zahnarzt.

Trotz Pilz-Diät, Nystatin, diversen Spritzen, Zahnsanierung, Ozon, Enzymen, Akupunktur und einigen anderen Aktionen blieb mein Zustand unverändert, obwohl ich stets versucht habe, optimistisch zu bleiben. Ich war ja schon froh und dankbar, daß es nicht noch schlimmer wurde, daß ein Stillstand eintrat.

Eine Reha-Maßnahme wurde beantragt - und bewilligt.

Ich hatte nicht mit einer Zusage gerechnet, und meinen Chef deshalb "zu spät" informiert. Das nahm er mir übel. Ich wurde entlassen, weil ich nicht die erwarteten Leistungen erbracht hatte. Erst war ich empört, dann erleichtert. Stets fiel es mir schwer, in den Betrieb zu gehen. Ich war gesundheitlich nicht in der Lage, irgendwelche Arbeiten befriedigend zu erledigen. Ich hatte mich schon viel zu lange gequält. 13 kg hatte ich in dem Jahr, in dem ich dort gearbeitet habe, abgenommen.

Am 8. Oktober 96 trat ich die Reha an. Es tat gut: Keine Arbeit, keine Termine, kein Haushalt. Ich mußte nicht kochen, nur essen. Ich bekam Vit.C, Vit.B, Acetylcystein gegen Husten (und zum Ausleiten?), ASS 100 und ein Mittel für die Verdauung. Ich bekam Krankengymnastik, sonstige Therapien und ein Attest, daß ich etwa 6 Wochen nach der Reha wieder arbeiten könne. Das machte mir Mut. Ich hatte in der Reha viel Kraft schöpfen können.

Ich bekam weiterhin Krankengymnastik, zusätzlich Reflexzonentherapie mit Reizstrom und Bewegungstherapie.

Nach der Reha mußte ich Vitamine selbst kaufen. Ich nahm jetzt nicht nur Vit.C und Vit.B, sondern viele andere Mittel (zum großen Teil Nahrungsergänzungsmittel). Zeitweise gebe ich über DM 500,--/Monat aus.

Wegen ständiger, seit Jahren bestehender Oberbauchbeschwerden, die bislang als Befindlichkeitsstörungen eingestuft wurden, wurde ich im Januar 1997 ins Krankenhaus eingewiesen. Eine Darmentzündung und eine Fehlfunktion der Bauchspeicheldrüse wurde diagnostiziert. Jetzt bekomme ich die Enzyme, die die Bauchspeicheldrüse normalerweise produziert, in Tablettenform, damit mein Körper die Nahrung wieder richtig verwerten/verdauen kann. Seit wann diese Stoffwechselstörung schon bestand, ist unbekannt. Vermutlich schon über 10 Jahre.

Im Juni 97 kam ich in die neurologische Klinik. Eine Nervenwasser-Untersuchung ergab eine gesicherte MS.

Ich schloß mich einer Selbsthilfegruppe für Menschen mit Lähmungen an. Wir sind noch ein kleiner Haufen (5 Mitglieder). Durch Info-Austausch kam ich auf die Idee mit dem Amalgam ...

Daß MS und Amalgam etwas miteinander zu tun haben, hatte mein Hausarzt in seiner Studentenzeit gelernt. Inzwischen war das aber "widerrufen" worden. Die Ursache für MS ist heute wieder unbekannt. Ich persönlich denke, daß Quecksilber ein Grundstein für MS und auch für viele andere Erkrankungen ist, daß aber sicherlich einige Faktoren zusammenkommen müssen, bis sich der Körper selbst angreift.

Wegen ständig wiederkehrender Mykosen und Infektionen bin ich seit Monaten bei einem Mikrobiologen in Behandlung. Wir bemühen uns, eine Fehlbesiedlung im Darm zu korrigieren, um dadurch mein Immunsystem wieder aufzubauen. Ich erhalte Anti-Mykotikum und Mittel, die die Darmflora in Ordnung bringen sollen.

Durch eine Elektroakupunktur wurde eine Quecksilberbelastung "nachgewiesen" (nicht anerkannt ist nicht wissenschaftlich).

Ich leite Quecksilber "unwissenschaftlich", aber erfolgreich, in Eigenregie aus, wobei ich die Informationen nutze, die ich von PFAU e.V., von "meinen" Gruppenmitgliedern und aus den Skripten von Dr. Klinghardt habe.

Mir geht es jeden Tag ein bißchen besser - selbst dann, wenn es mir schlechter geht. Ich experimentiere mit den Medikamenten und stelle immer wieder etwas um. "Wehwehchen" kann ich jetzt einordnen, ich habe wieder Übersicht, fühle mich wieder klarer im Denken, habe wieder Lebensmut und Hoffnung. Der restliche Nebel wird sich auch noch lichten.

Furchtbare Stimmungsschwankungen und ständige Kopfschmerzen gehören der Vergangenheit an. Ich bin noch lange nicht am Ziel, aber auf dem richtigen Weg!

Ich möchte gerne das Wissen, das ich mir erarbeitet habe, mit anderen Betroffenen teilen.

Allen Mitarbeitern von PFAU e.V. und allen Lesern wünsche ich für 1998 alles Gute ‒ vor allem Gesundheit ‒ !!!

Renate Wegener (Tel.: 07445/81315)

 

Das Kieler Amalgamgutachten 1997

Bernd Giacomelli

Grundsätzlich ist zur Erstellung des Gutachtens zu bemerken, daß man keine eigene Studie gemacht hat, sondern auf die reichliche Fachliteratur zurückgegriffen hat. Die Autoren Wassermann, Weitz, Alsen-Hinrichs haben schon in 1995 im Auftrag einer Behörde ein Gutachten über die Toxizität des Amalgams erstellt. Man liest nun bangen Herzens, ob die Aussagen des ersten Gutachtens relativiert wurden oder ob ein Rückzieher geschehen ist. Gottlob, die Aussagen haben alle Bestand; der Unterschied liegt in der Form (Anonymisierung). Nach der Auslieferung des Gutachtens 1995 hat sich einiges ereignet, was eine Bestätigung darstellt. Dem neuen Gutachten wurde ein Vorwort hinzugefügt:

  1. Die Basis ist die allgemein zugängliche wissenschaftliche Fachliteratur. -

    In 1996 wurde die Tübinger Amlagamstudie vorgestellt, an der die breite Basis und die methodische Sorgfalt bei der Absicherung von Bedeutung ist. Die Ergebnisse waren vorhersehbar.

    Die staatliche kanadische Gesundheitsbehörde „Health Canada" hat Erklärungen abgegeben, die sich mit der Meinung der Autoren decken. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang die Konsequenz: Es gehört zu den Pflichten des Patienten, den Zahnarzt über gesundheitliche Veränderungen zu informieren (damit die Ursache Quecksilber erkannt und Schäden vermieden werden können).

    Nach Fertigstellung des ersten Gutachtens (und wohl unter dem Eindruck dieser Daten) hat ein Amalgamhersteller zur Abwendung eines Verfahren 1,5 Mio DM bezahlt. Die Summe ist nicht hoch angesichts der Tragweite der Schäden, jedoch in der deutschen Rechtsgeschichte ein einmaliger Vorgang!

  2. Die Hersteller verhalten sich alle gleich. Deshalb soll nicht ein einzelner gebrandmarkt werden. Firmen werden nicht genannt. Soweit sie doch genannt werden, beruht das darauf, daß sich leitende Mitarbeiter in der fachlichen Diskussion hervorgetan haben und so in die Literatur eingegangen sind.
  3. Die auftraggebende Behörde machte für die Publizierung des ersten Gutachtens zur Bedingung, daß die Anonymität des Herstellers gewahrt werde. Die Autoren modifizierten, die Behörde blieb bei der Weigerung, zu veröffentlichen. Die Behörde (der neue Staatsanwalt) setzte die Gefälligkeit gegen den Hersteller über das Interesse der Patienten an der Publizierung des Kernstücks der fünfjährigen Ermittlungen !

    Justitia ist nicht blind; Sie hat eine Wahrnehmung des Einflusses einer mächtigen Gruppe oder des Zusammenspiels mächtiger Gruppen. Gewaltenteilung ? Unabhängige Justiz ?

Da nicht jeder das Gutachten im Bücherschrank stehen hat, seien hier Auszüge aus dem 131seitigen Gutachten wiedergegeben. Seit der Einführung der Amalgame hat es Diskussionen und warnende Stimmen gegeben. Die Kupferamalgame wurden Anfang unseres Jahrhunderts wegen ihrer noch schlechterern Werkstofflichen Eigenschaften von den Silberamalgamen abgelöst.

Unter „Kinetik" wird der Weg des Quecksilbers durch den Körper erklärt, der davon abhängt, ob es metallisch, metallisch als Dampf, als Ionen oder als organische Verbindung auftritt. In diesen 3 Zuständen verursacht es sowohl die akute als auch die chronische Vergiftung, jeweils in anderer Ausprägung. Die Symptome der akuten Vergiftung werden auf knapp einer Seite wiedergegeben, für die Symptome der chronischen Vergiftung benötigt man 2 Seiten. (Wen wundert’s, die akute Vergiftung erfolgt plötzlich (Unfall), bei der chronischen hat das Gift Jahre und Jahrzehnte Zeit, in alle Segmente und Transportsysteme einzudringen.) Beim Zusammenwirken von 3 Ursachen (Dampf, Ionen, Methylquecksilber) sind natürlich viele Kombinationen denkbar in der Stärke der einzelnen Faktoren. Wenn man nun die großen gesundheitlichen Unterschiede von Patient zu Patient in Rechnung stellt und die Spanne des Einwirkens von einem Jahr bis zu mehreren Jahrzehnten (1), dann wird die Vielfalt unseres Krankheitsbildes voll erklärbar. (Anmerkung des Verfassers: Erwähnt sei eine frühe, warnende Stimme: Der Chemiker Prof. Stock (Berlin/Karlsruhe), der 1926 die Natur der Krankheit klar erkannte. Er selbst hatte unter Dämpfen zu leiden gehabt. Er zeigte an Beispielen die leichte Möglichkeit der Heilung auf.)

Tests zeigten 1934 an 11-13jährigen Schülern den Leistungsabfall auf nach dem Legen von Füllungen! 1927 wurde auf das Problem der großen Menge an Amalgam hingewiesen, die zu den schlimmen Fällen führen. Metall-Ionen werden freigesetzt, die systemische Auswirkungen... aufweisen / Rehberg, 1982. Der Ort der Belastung wird untersucht: Speichel, Atemluft, Urin, usw.. Der Weg des Quecksilbers kann durch radioaktive Markierung verfolgt werden. Die Bewertung solcher Belastungen hat zu berücksichtigen, daß Amalgam immer zu einer Exposition in mehreren Formen führt, etwa Dampf + Ionen.

In der Bevölkerung werden alle Reaktionen gefunden: Von hoher Resistenz bis zu hoher Empfindlichkeit gegenüber Quecksilber! Es gibt keine Menge, die für alle ungiftig wäre. Häufig erfolgen Verarbeitungsfehler beim Legen der Füllungen. Dadurch sinkt die Qualität der Füllungen erheblich, das heißt die Gefahr für den Patienten steigt. Die geringe Vergütung durch die Kassen läßt die Entwicklung hin zur geringsten Qualität treiben. Die Hersteller kannten die normale Gefahr des Amalgams und die durch Verarbeitungsfehler gravierend erhöhte Gefahr der ernsten Gesundheitsschäden. Sie taten nichts, um darauf einzuwirken oder aufzuklären. Dann folgte die Auseinandersetzung mit einigen Scheinargumenten. Es gab auch grob falsche Darstellungen in der Presse bzgl. der Zusammensetzung: Geringste Mengen Hg statt 51 % Hg. Und das von Leuten, die es wissen mußten. Der MAK-Wert ist ungeeignet, um die Ursachen unserer Krankheit abzuschätzen. Dies alles war Ärzten und Chemikern bekannt.

Zum Schluß die gutachterliche Würdigung: Amalgam ist ein toxikologisch ungeeignetes Material. Man hat die Betroffenen in den Zustand der Ahnungslosigkeit versetzt. Die Hersteller haben gegen ihre rechtlichen Pflichten verstoßen.

 

Quecksilberbelastung und Fruchtbarkeitsstörungen ‒ Diagnose und Therapieansätze

Vortrag auf dem Tagesseminar „Humantoxikologische Aspekte von Amalgamzahnfüllungen" am Samstag, 22. November 1997 in Freiburg

Karin Siefert, Ingrid Gerhard, Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg

Quecksilberbelastung und Fruchtbarkeitsstörungen

Schadstoffe aus der Umwelt können die Fertilität auf allen Ebenen beeinflussen. Durch Veränderung der Neurotransmitter im Gehirn kann die pulsatile Ausschüttung von Gonadotropin-Releasing-Hormon (GnRH) beeinträchtigt sein (Gerhard et al. 1992a), welche eine Grundvoraussetzung für das weibliche Zyklusgeschehen darstellt. Zahlreiche Schadstoffe, wie z.B. Quecksilber, werden in der Hypophyse gespeichert (Danscher et al. 1990, Nylander et al. 1989, Störtebecker 1989), so daß es zu Veränderungen der Gonadotropin-Produktion (LH, FSH) oder der Prolaktin-Sekretion kommt. Die Hirnanhangsdrüse stellt insofern eine Besonderheit dar, als sie außerhalb der Blut-Hirn-Schranke und in unmittelbarer Nähe zur Nase liegt, so daß ein retrograder Transport von Quecksilber entlang des N.olfactorius diskutiert wird (Gerhard et al 1994). Außerdem kommt ihr eine zentrale Bedeutung im Zusammenhang mit der Fertilität zu.

In der Nebennierenrinde können Schadstoffe die Steroidsynthese verändern und damit Hyperandrogenämien sowie partielle Nebennierenrinden-Insuffizienzen hervorrufen, in der Schilddrüse Über- oder Unterfunktionen verursachen, im Ovar die Östradiol- und Progesteronproduktion beeinflussen oder sogar chromosomale Störungen hervorrufen. Negative Einflüsse auf die Spermaqualität äußern sich beispielsweise in verminderter Beweglichkeit der Spermien oder vermehrt fehlgeformten Spermatozoen bis hin zu Veränderungen der Chromosomen. Schließlich kann nach eingetretener Empfängnis die Einnistung in die Gebärmutter gestört sein oder es kann zu Mißbildungen, Fehlgeburten, Wachstumsretardierungen oder Frühgeburten kommen. (Literatur bei Gerhard et al. 1992a).

Die Fertilität kann von folgenden Substanzklassen beeinflußt werden: Drogen, Medikamente; Genußgifte: Alkohol, Rauchen (nicht nur Nikotin), Kaffee; Schwermetalle, z.B. Quecksilber, Blei, Cadmium, Arsen; Industriechemikalien, z.B. Benzol, Dioxine, PCB; Pestizide, z.B. DDT, PCP, HCH; Strahlen (Gerhard 1993a). Bei gleichzeitiger Belastung mit mehreren dieser Stoffe kommt es zu einer überadditiven Wirkung (ebd.).

Bekannt ist die toxische Wirkung von Methylquecksilber auf menschliche Foeten, wie durch Vergiftungsunfälle in Japan, der ehemaligen UdSSR, Schweden, den USA und im Irak bekannt wurde (Amin-Zaki et al. 1974, Koos et al. 1976). Für Schwangere ist deshalb der Umgang mit Methylquecksilber am Arbeitsplatz gesetzlich verboten. Das Verfüttern von Methylquecksilber führte bei Affen zu Hodenfunktionsstörungen (Mohamed et al. 1987).

Jedoch nehmen Menschen nicht nur Methylquecksilber (z.B. aus Fisch) auf, sondern auch elementares und ionisiertes Quecksilber (z.B. aus Amalgamfüllungen), welches im Körper völlig anders verstoffwechselt wird. Quecksilber aus Amalgam macht sogar den Hauptanteil der menschlichen Quecksilberbelastung aus (Clarkson et al. 1988, WHO 1991, Begerow et al. 1994). Daher lassen sich oben genannte Forschungsergebnisse nicht einfach übertragen.

In Tierversuchen wurde gezeigt, daß sich nach dem Legen von Amalgamfüllungen Quecksilber vor allem in der Niere, aber auch im Gehirn und im Gastrointestinaltrakt ablagert (Hahn et al. 1989 u. 1990; Danscher et al. 1990). Mehrere Autoren beschreiben eine signifikante Abhängigkeit der Quecksilber-Konzentration in Niere und Gehirn des Menschen von der Anzahl der Amalgamfüllungen (Nylander et al. 1987; Schiele 1988; Drasch et al. 1992).

Quecksilber ist im Tierversuch plazentagängig (Clarkson et al. 1972, Vimy et al. 1990). Auch über die Muttermilch gelangt Quecksilber in den kindlichen Organismus. Die Zahl der mütterlichen Amalgamfüllungen korreliert mit der Konzentration von anorganischem Quecksilber in Niere, Leber und Gehirn von Foeten und Säuglingen (Drasch et al. 1994).

Frauen, die in Zahnarztpraxen Amalgam verarbeiteten, litten gehäuft an Zyklusstörungen (Marinova et al. 1973, Sikorski et al. 1987). Je mehr Amalgam pro Woche von Zahnarzthelferinnen verarbeitet wurde und je schlechter sie dabei hygienische Schutzmaßnahmen einhielten, desto geringer war ihre Schwangerschaftsrate (Rowland 1994).

Bei Frauen mit Fertilitätsstörungen wiesen solche mit mehr als zehn Amalgamfüllungen signifikant häufiger eine Lutealinsuffizienz auf als Frauen mit weniger Amalgamfüllungen (Gerhard et al. 1993 u. 1995).

In einer Untersuchung an knapp 200 Frauen mit sekundärer Sterilität ergab sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl von Amalgamfüllungen und dem Ausgang (Abort oder Geburt) einer erneuten Schwangerschaft (Rösner).

Diagnostik

In der endokrinologischen Ambulanz der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, wird den Patientinnen bei Verdacht auf eine Quecksilberbelastung durch Amalgamfüllungen der Zähne in Ergänzung zur Routinediagnostik der Kaugummitest und ein modifizierter DMPS-Test angeboten.

In mehreren Untersuchungen der vergangenen Jahre kamen Gerhard et al. auf folgende Ergebnisse: Die Quecksilberausscheidung im Urin nach oraler Gabe von 10 mg DMPS pro Kilogramm Körpergewicht erreichte ihr Maximum nach zwei Stunden (Gerhard et al 1992b). Sowohl die Speichel- als auch die stimulierten Urinwerte (bezogen auf Kreatinin) korrelierten mit der Zahl der Amalgamfüllungen (ebd.). Frauen mit sehr hohen Urinwerten (> 75. Perzentile des Gesamtkollektivs) hatten durchschnittlich fast fünffach höhere Quecksilberkonzentrationen im Speichel als Frauen mit niedrigeren Urinwerten (ebd.). Nach intravenöser Applikation von 250 mg DMPS (seit 1991 verfügbar) zeigte sich die maximale Ausscheidung von Quecksilber schon nach 45 Minuten (Gerhard et al. 1997). Die Quecksilberausscheidung im 45-Minuten-Urin korrelierte eng mit der im 10-h-Sammelurin (r=0.81), jedoch war die Korrelation der Werte im 45-Minuten-Urin mit der Zahl der Füllungen und mit den Speichelwerten besser als die des 10-h-Urins (ebd.). Auf eine Sammlung des Urins über mehrere Stunden kann demnach verzichtet werden.

Mit zunehmender Quecksilberausscheidung im Urin nach DMPS fanden sich häufiger rezidivierende vaginale Pilzinfektionen, Haarausfall, Allergien, Syndrom der Polycystischen Ovarien, Hormonstörungen (Gerhard et al. 1992a, 1996). Im einzelnen fanden sich erhöhte Hormonwerte für Prolaktin (basal u. 30 Minuten nach TRH nasal), Östradiol (Follikelphase) und T3, erniedrigte Werte für Progesteron (Lutealphase), TSH, Cortisol und DHEA-S (Gerhard et al. 1995, 1996).

Therapie der Quecksilberbelastung

Da in der Regel eine gleichzeitige Belastung mit mehreren Schadstoffen vorliegt, ist es im Einzelfall oft schwer zu entscheiden, welchen Anteil eine einzelne Substanz an der Gesamtsymptomatik hat.

1. Amalgamentfernung

Sind die Quecksilber-Werte in Kaugummi- und DMPS-Test stark erhöht, ist die Entfernung des Amalgams und die Wahl eines geeigneten Ersatzstoffes in Erwägung zu ziehen, wobei eine Reihe von Vorsichtsmaßnahmen zu beachten ist, damit eine noch stärkere Belastung des Organismus vermieden wird. Erfahrungsgemäß steigt die Quecksilberausscheidung im Urin unmittelbar nach Entfernung der Füllungen kurzfristig an, um im Laufe der nächsten Monate dauerhaft auf normale Werte (d.h. entsprechend Personen, die noch nie Amalgamfüllungen hatten und ohne berufliche Exposition) abzufallen (siehe auch Begerow et al. 1994, Gerhard et al. 1993b u. 1997).

Läßt sich die Quelle der Quecksilberbelastung nicht entfernen, muß man versuchen, die Ausscheidung von Quecksilber zu beschleunigen, bzw. die Giftigkeit des Quecksilbers im Körper zu reduzieren. Hierzu werden die Gabe von Chelatbildnern, Vitaminen und Spurenelementen, homöopathischen oder isopathischen Arzneimitteln diskutiert.

2. Chelatbildner

DMPS bildet mit vielen Schwermetallen stabile, wasserlösliche Komplexe und hat sich seit langem zur Entgiftung von Quecksilber bewährt (Campbell et al. 1986; Clarkson et al. 1981). Jedoch ist auch hierbei vorsichtig vorzugehen. Insbesondere nach wiederholter Anwendung ist über gehäuftes Auftreten von allergischen Reaktionen berichtet worden. Auch ist zu berücksichtigen daß andere Metalle, wie z.B. Zink, mit ausgeschwemmt werden (Daunderer 1990).

3. Spurenelemente und Vitamine

Selen ist ein essentieller Bestandteil der Glutathionperoxidase, die vor Peroxiden und Radikalen schützt. Quecksilber bindet sich an Natrium-Selenit und wird dadurch entgiftet (Schrauzer 1990). Da in Deutschland die Böden selenarm sind, besteht ein allgemeiner Selenmangel (Hartfiel u. Schulte 1988). Die zytotoxischen Wirkungen von Quecksilber ließen sich sowohl in der Zellkultur als auch in vivo durch Selen vollständig hemmen (Kumei u. Sato 1981).

Zink ist notwendig für die DNA- und Proteinsynthese, sowie Cofaktor von über 70 bekannten Enzymen. Durch die chemische Ähnlichkeit von Quecksilber und Zink ist die Bindung von Quecksilber an diese Enzyme denkbar, wodurch Stoffwechselwege blockiert, bzw. modifiziert werden können. Ein Zinkmangel kann durch vegane oder vegetarische Ernährung hervorgerufen oder verstärkt werden und führt unter anderem zu Beeinträchtigungen des Immunsystems (Kruse-Jarres 1989). Wird Ratten vor einer intravenösen Quecksilberinjektion Zink verabreicht, so kann der nephrotoxische Effekt verhindert werden (Zalups u. Cherian 1992).

Durch Diäten, wie sie gerade von Frauen häufig angewandt werden, und einseitige Ernährung ist mit weiteren Mangelerscheinungen zu rechnen, weshalb die Gabe von einigen wichtigen Vitaminen sinnvoll erscheint. Sowohl Vitamin C als auch Vitamin E haben einen ausgeprägten antioxidativen Effekt. Bei Belastung von Ratten mit Methylquecksilber wurde die Quecksilberkonzentration in Gehirn und Rückenmark am besten durch Vitamin E gesenkt (Vijayalakshmi et al. 1992).

In einer randomisierten, vierarmigen Therapiestudie senkte die Kombination aus Zink, Selen, Calcium, Vitamin C, Vitamin E und Knoblauch („Kombitherapie") am besten die Ausscheidung von Quecksilber im Vergleich zur alleinigen Gabe von Zink oder Selen, bzw. zur Kontrollgruppe (Gerhard 1993b). Das verabreichte Knoblauchpräparat ist wegen seiner SH-Gruppen ebenfalls in der Lage, Schwermetalle zu binden.

In einer weiteren Studie an 99 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und einer Quecksilberausscheidung ³ 100 µg/g Kreatinin war die Baby-take-home-rate (BTR) in der Gruppe mit alleiniger Hormontherapie nur 3% gegenüber 11% in der Gruppe mit Hormonen plus „Kombitherapie" (s.o.) und 23% in der Gruppe nach Amalgamsanierung und begleitender Kombitherapie (Gerhard 1995).

Bei 95 Frauen mit wiederholten Fehlgeburten wurden von 32 Schwangerschaften, die nach Hormontherapie eintraten, 48% durch eine Geburt beendet. 22 Frauen konzipierten erst nach Amalgamentfernung und Kombitherapie. Bei ihnen waren in 82% der Fälle Geburten zu verzeichnen (ebd.).

4. Homöopathisch potenzierte Substanzen

Einige Ärzte geben ihren PatientInnen homöopathisch potenziertes Mercurium oder Amalgam. Im Rahmen einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten, dreiarmigen Studie an 120 Patientinnen prüfen wir derzeit den Einfluß von Homöopathika, die einen besonderen Bezug zu den Organen Leber und Niere haben, auf die Quecksilberausscheidung im Vergleich zum Einfluß der Kombitherapie (Siefert et al. 1996).

Ausblick

Seit bei den Patientinnen der endokrinologischen Sprechstunde der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg Schadstoffbelastungen, unter anderem auch durch Zahnamalgam, abgeklärt und behandelt werden, kann in vielen Fällen auf eine Hormontherapie verzichtet werden (Merzoug et al. 1990).

In einer retrospektiven Auswertung an über 1000 Patientinnen der endokrinologischen Ambulanz soll untersucht werden, inwieweit sich bei Frauen mit einer erhöhten Quecksilberausscheidung eine Entfernung des Amalgams auf den Behandlungserfolg (Baby-take-home-rate) auswirkte.

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Karin Siefert ist Ärztin. Von März 1996 bis September 1997 arbeitete sie bei Frau Prof. Dr. med. I. Gerhard in der Hormonsprechstunde und in der Ambulanz für Naturheilkunde der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, Abteilung Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen. Derzeit arbeitet sie an ihrer Promotion zum Thema Ausschwemmen von Quecksilber.

 

Vimy-Studie aus Calgary: Quecksilber in der Muttermilch

Bericht aus den Amalgam-Nachrichten des Schweizer Vereins Amalgamgeschädigter, Zürich

Eine kanadische Forschergruppe unter der Leitung des bekannten Zahnmediziners Murray J. Vimy veröffentlichte im Februar 1997 ihre neueste Studie zum Quecksilbergehalt von Muttermilch. Vimy und seine Kollegen Hooper, King und Lorscheider von der Medizinischen Fakultät der Universität von Calgary wiesen nach, daß Quecksilber (Hg) aus Amalgamfüllungen der Mutter durch die Milch auf den Säugling übergeht. Sie untersuchten die Quecksilber-Konzentration in der Milch von 33 stilllenden Müttern. Der gemessene Quecksilber-Spiegel in der Milch wie auch die Konzentration der Quecksilber-Dämpfe in der Mundhöhle war stest statistisch verknüpft mit der Anzahl der Amalgamfüllungen.

In zusätzlichen Tierversuchen säugten Mutterschafe mit radioaktiv markierten Amalgamfüllungen fremde, quecksilberfreie Lämmer. Das später in deren Gewebe, vor allem in den Nieren, nachgewiesene radioaktive Quecksilber stammte also zweifelfrei aus der Schafsmilch.

Die Forscher verglichen die Belastung der Säuglinge mit dem behördlich zulässigen Grenzwert für Erwachsene und rieten daher zur Vorsicht. Sie verwiesen auf die Quecksilberaufnahme schon während der Schwangerschaft, welche von Drasch 1994 nachgewiesen wurde (im Amalgam-Bulletin 4/1995 besprochen), insbesondere auch die besonders große Empfindlichkeit von Säuglingen gegenüber giftigen Schwermetallen. Zu diesem Thema liegen weitere Veröffentlichungen von Schümann (1990) sowie von Amin Zaki und Mitarbeitern (1981) vor. Tierversuche zeigten, daß Quecksilber bei gesäugten Jungtieren zur Veränderung der Immunabwehrzellen (Thymuszellen) und zur erhöhter Bildung weißer Blutkörperchen führte. Es hatte auch Auswirkungen auf den Nervenwachstums-Faktor bei der Hirnentwicklung.

Es muß betont werden - mehrere Studien belegen dies -, daß die vom Quecksilber verursachten Schäden am ungeborenen wie am Säugling im frühen Stadium von außen nicht feststellbar sind. Die nervlichen Schäden stören die individuelle Entwicklung, das Lernvermögen, das Verhalten und die Sinneswahrnehmungen. Sie können die Entwicklung des Individuums lebenslang dramatisch beeinflussen. Wie Schümann 1990 aufzeigte, kann früher Kontakt mit anorganischem oder organischem Quecksilber sogar zu geistiger Unterentwicklung führen.

Der kanadische Forscher Vimy ist ein prominentes Mitglied der amalgamkritischen International Academy of Oral Medicine and Toxicology (IAOMT). Er kommt zum Schluß, daß durch Amalgamfüllungen von Schwangeren und von stillenden Müttern das Ungeborene und der Säugling dem unnötigen Risiko einer Quecksilber-Belastung ausgesetzt wird. Seine schwedische Forscherkollegin Oskarsson forderte schon 1996 in ihrer Studie: „Wir sind zu der Überzeugung gekommen, daß Anstrengungen gemacht werden müssen, damit die Quecksilberkonzentration bei Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter massiv gesenkt wird." Und der bekannte amerikanische Amalgam-Newsletter „BioProbe" verlangt, bezugnehmend auf all diese Studien: „Da nun Amalgam-Zahnfüllungen nachweislich die Hauptursache der Quecksilber-Belastung in der Muttermilch sind, muß die Anwendung von Amalgam bei den genannten Frauen mit sofortiger Wirkung verboten werden." Er ruft alle Verantwortlichen und Behörden auf, die ungeborenen und Säuglinge vor der wissenschaftlich nachgewiesenen Gesundheitsgefährdung zu schützen.

Aus: „Amalgam-Nachrichten 1/97", Verein Amalgamgeschädigter Zürich

Adresse:
Verein Amalgamgeschädigter
Postfach
CH-8023 Zürich
Tel. 0041-01-252 53 03     Fax: 0041-01-252 53 58

 

Juristische Aspekte der Amalgam Problematik

Prof. Dr. Erich Schöndorf - Fachhochschule Frankfurt am Main

Zwei Haftungen stehen zur Diskussion: Die strafrechtliche und die zivilrechtliche. Sie haben unterschiedliche Zielrichtungen. Die strafrechtliche Haftung will Schuld sühnen und potentielle Folgetäter abschrecken, die zivilrechtliche Haftung hat den Ausgleich eines Schadens zum Ziel.

Unter Praxisbedingungen haben beide etwas mehr miteinander zu tun: Geschädigte lassen gerne dem Strafrecht den Vortritt, um risikolos ihre Chancen sondieren zu können. Denn das Strafrecht ist für den Anzeigeerstatter kostenfrei; im Zivilverfahren trifft ihn - bei Klageabweisung - das volle Kostenrisiko.

Für beide Haftungen existieren zwei Anspruchsgegner: Der Amalgam-Hersteller (H) sowie der behandelnde Zahnarzt (Z).

Bleiben wir zunächst bei der strafrechtlichen Haftung. Im Vordergrund steht hierbei die Straftat der fahrlässigen Körperverletzung, und darauf soll sich der Übersichtlichkeit wegen die Betrachtung auch konzentrieren. Sowohl im Verfahren gegen den H als auch gegen den Z ist die Feststellung eines Kausalzusamennhanges zwischen dem Vertrieb bzw. der Verwendung des Amalgams und gesundheitlicher Schäden erforderlich. Zweifel gehen immer zu Lasten der Justiz. Die Kausalitätsfrage bildet den zentralen Punkt der strafrechtlichen Haftung. Nachweisschwierigkeiten resultieren daraus, daß es verbindliche toxikologische Erfahrungswerte oder gar Gesetzmäßigkeiten in diesem Zusammenhang nicht gibt. Wie auch in den anderen Fällen der „schleichenden Vergiftung" ist der Kausalitätsbeweis in Form eines Indizienbeweises zu erbringen. Es müssen so viele belastende Umstände zusammengetragen werden, bis sich ein deutliches Nachweisbild ergibt. Namentlich kommen hierbei in Betracht: Toxizität des Amalgams, Qualität der Verarbeitung, Gesundheitszustand des Geschädigten vor, während und nach der „Amalgamzeit", Beschwerdebild, Ausschluß konkurrierender Beschwerdeursachen wie chronisch Leiden und alternative Gifte.

Im Amalgambereich haben die Hersteller auch deswegen „gute Karten", weil sie mit gewisser Aussicht auf Erfolg die zahlreichen neurologisch-psychiatrischen Auffälligkeiten der Geschädigten, die sich als Folge der bevorzugten Einwirkung des Amalgams auf das Nervensystem einstellen uminterpretieren können in die Ursache des „sich-krank-fühlens". Auf der gleichen Schiene werden auch die Erfolge von Zahnsanierung und Entgiftungstherapie als Placebo-Effekte diffamiert.

Daher ist es in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, daß als Sachverständiger ein klinischer Toxikologe mit einschlägigen Erfahrungen mitwirkt.

Neben der Kausalität bedarf die strafrechtliche Verurteilung noch des Nachweises eines Verschuldens. Im Fall der fahrlässigen Körperverletzung heißt das: H oder Z müssen pflichtwidrig gehandelt haben. Das ist dann der Fall, wenn sie Amalgam vertrieben oder angewendet haben, obwohl sie die krankmachende Wirkung des Mittel kannten oder kennen mußten.

Dabei muß nun differenziert werden: Vor allem die großen H hatten aufgrund ihres Zugangs zu der nationalen oder internationalen toxikologischen Literatur seit jeher um das mit dem Amalgam verbundenen Risiko wissen müssen. Die im Rahmen des Frankfurter Amalgam-Verfahrens gefertigte Literaturrecherche belegt sehr eindrucksvoll, daß seit den 20er-Jahren in den medizinischen Fachkreisen (Schulmedizin !) Amalgam heftig angefeindet wird.

Bei den Zahnärzten ist das anders: Mangels Beipackzettel der Hersteller und mangels eigenen toxikologischen Wissens kann man ihnen erst seti Anfang der 90er-Jahre - seit Einsetzen der intensiven Amalgam-Diskussion - ein entsprechendes „wissen müssen" unterstellen.

Beide - H wie Z - machen sich aber nur dann strafbar, wenn sie ihre Kunden bzw. Patienten eine umfassende Aufklärung verweigern. Mit anderen Worten : H haftet nicht, wenn er dem Abnehmer seines Amalgams, das sind regelmäßig die Zahnärzte, über das Gefahrenpotential des Produkts aufklärt. Im Beipackzettel muß detailiert auf sämtliche Risiken aufmerksam gemacht werden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob bestimmte Zusammenhänge bereits naturwissenschaftlich bewiesen sind. Entscheidend ist allein, ob ernstzunehmende Stimmen entsprechende Zusammenhänge für möglich halten. Das können selbstverständlich auch Alternativmediziner sein. Auch deren Bedenken müssen in den Beipackzettel.

Für die Zahnärzte gilt entsprechendes: Sie müssen iher Patienten über das Amalgam-Risiko frühzeitig, gründlich und umfassend aufklären. Nur dann ist ein Risiko bzw. ein späterer Schaden von der Einwilligung des Geschädigten gedeckt und der Zahnarzt ist von der Haftung freigestellt.

Für die zivilrechtliche Haftung auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gemäß § 823 BGB (Diese Vorschrift steht in der Praxis an erster Stelle) gilt im Hinblick auf die Kausalität das zuvor gesagte. Beim Verschulden liegt die Sache insofern anders, als hier eine Beweislast-Umkehr greift: Der Kläger muß, wenn er die Kausalität unter Beweis gestellt hat, nicht mehr beweisen, daß H oder Z schuldhaft gehandelt haben. Allerdings haben H und Z die Möglichkeit, ihr Nichtverschulden zu beweisen. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfaßt die Beweislast-Umkehr auch die sogenannte Objektive Pflichtwidrigkeit. Konkret bedeutet das: Wenn feststeht, daß ein bestimmter Gesundheitsschaden durch das Amalgam eines bestimmten Herstellers verursacht worden ist, dann kann der Hersteller sich einer Haftung nur noch dadurch entziehen, daß er darlegt und beweist, daß es trotz aller Anstrengungen nicht möglich war, die Risiken zu erkennen und zu erfassen.

Rechtstheoretisch sieht es von daher für die Geschädigten - jedenfalls auf der zivilrechtlichen Ebene - nicht schlecht aus. Die eher vorsichtig geäußerte Frage, ob denn auch der Zahnarzt auch eventuell haftet, wird richtigerweise zunächst mit einer Gegenfrage versehen: Warum eigentlich nicht ? Die Praxis sieht allerdings anders aus. Die Haftung von Hersteller oder Zahnarzt ist immer noch eine Ausnahme - trotz der zahlreichen Schadensfälle. Auch das Frankfurter Amalgam-Strafverfahren endete mit einer Einstellung, wenn auch gegen die Zahlung von 1,5 Millionen DM. Zwischen den modernen Erkenntnissen der Umweltmedizin und der juristischen Praxis klafft immer noch eine große Lücke. Juristen brauchen manchmal sehr lang. Trotzdem: Die Tendenz zu mehr Patientenschutz ist unverkennbar. Wohlüberlegt sollte dieser Weg weiter beschritten werden.

A.d.R.: Prof. Dr. Erich Schöndorf war leitender Staatsanwalt im Holzschutzmittelprozeß und im Amalgam-Ermittlungsverfahren 1995 gegen den größten deutschen Amalgamhersteller DEGUSSA.

Fortsetzung Teil 2