OBERLANDESGERICHT KOBLENZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 6 U 1500/96
Entscheidung vom 13. Februar 1997
In dem Verfahren der einstweiligen Verfügung:
der Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz,
(...)
Antragstellerin, Berufungsklägerin und
Berufungsbeklagte,
g e g e n
(...)
Antragsgegner, Berufungsbeklagter und Berufungskläger.
Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts
Koblenz hat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brannekämper,
den Richter am Oberlandesgericht Dr. Schwarz und den Richter am
Oberlandesgericht Wunsch auf die mündliche Verhandlung vom 23. Januar 1997
für R e c h t erkannt:
I. Auf die beiderseitigen Berufungen der
Parteien wird das Urteil der 7. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des
Landgerichts Trier vom 19. September 1996 teilweise abgeändert und insgesamt
wie folgt neu gefaßt:
1. Es wird dem Antragsgegner untersagt, im
geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Datennetz "Internet"
für seine Zahnarztpraxis zu werben, indem er unter der Rubrik "Das
Praxisteam" eine allgemeine Beschreibung seiner Praxis gibt, unter der
Rubrik "Unsere Dienstleistungen" zahnärztliche Leistungen anbietet, unter
der Rubrik "Praxis-Shop" besondere Empfehlungen für zum Verkauf angebotene
Zahnpflegeartikel gibt.
2. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird
dem Antragsgegner die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld bis zu 50.000 DM
und für den Fall, daß dieses nicht beigetrieben werden kann, zu einer
Ordnungsstrafe von 1 Tag für jeweils 5.000 DM, oder die sofortige
Verurteilung zu einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.
3. Im übrigen wird der Antrag auf Erlaß
einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der
Antragstellerin wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens werden zu 3/4
der Antragstellerin und zu 1/4 dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
Die Antragstellerin ist die
Landeszahnärztekammer Rheinland-Pfalz, eine Körperschaft des öffentlichen
Rechts. Ihr gehören als Pflichtmitglieder alle in Rheinland-Pfalz
niedergelassenen freiberuflich tätigen Zahnärzte an. Zu den satzungsmäßigen
Aufgaben der Antragstellerin gehört die Wahrnehmung der beruflichen,
wirtschaftlichen und sozialen Belange der Gesamtheit ihrer Mitglieder.
Der Beklagte ist Zahnarzt und übt seinen Beruf
in Gemeinschaft mit anderen Zahnärzten in einer eigenen Praxis in Trier aus.
Seit Juni 1996 treibt der Antragsgegner im
Internet Werbung. Bei dem Internet handelt es sich um ein weltumspannendes
Datennetz aus miteinander verbundenen Computern, das seinen Benutzern
vielfältige Möglichkeiten der Information und Kommunikation bietet. Der
Antragsgegner benutzt für seine Werbung das World Wide Web (abgekürzt: WWW),
einen der moderneren Internet-Dienste. Das WWW macht es seinem Benutzer dank
einer speziellen Software (WWW-Browser) möglich, neben Texten auch Bilder,
Grafiken, Tondateien und Videos im Internet zu übertragen. Zugang zum Internet
erhält der Benutzer durch einen Personalcomputer, der entweder über einen
Direktanschluß oder mittels eines Modem oder einer ISDN-Karte über einen
Zentralrechner mit dem Datennetzwerk verbunden ist.
Wählt der Benutzer die - aus einer Kombination
von Buchstabenkürzeln - bestehende Adresse des Antragsgegners an oder stellt er
die Verbindung mittels eines Kennworts oder über einen Suchservice her, so
erscheint auf dem Bildschirm seines Personalcomputers die sogenannte Homepage,
die in der Art eines Inhaltsverzeichnisses auf weitere Informationen verweist,
die durch Mausklick abgerufen werden können.
In der Homepage des Antragsgegners werden
unter bestimmten Stichworten (Rubriken) Informationen der verschiedensten Art
angeboten, die auf mehreren, teils bebilderten und farbig gestalteten Textseiten
(sogenannte Web-Pages) enthalten sind. Sie geben Auskunft über die Praxis und
über besondere zahnärztliche Leistungen des Antragsgegners. Außerdem erläutert
der Antragsgegner die Behandlung bestimmter Zahn- und Kieferkrankheiten und
nimmt Stellung zu aktuellen Problemen der Zahnheilkunde. Daneben stellt er
Zahnpflegeprodukte und Zahnputztechniken vor, veranstaltet ein Gewinnquiz und
zeigt sogenannte "Dental Paintings", das sind bildhafte Darstellungen
zahnmedizinischer Themen. Ferner bietet er unter der Rubrik "eMail-Doctor"
Interessenten die Gelegenheit, sich mit Fragen zu seiner Praxis oder zu
zahnmedizinischen Problemen an ihn zu wenden. Schließlich hat der
Internet-Benutzer auch die Möglichkeit, sich in ein "Gästebuch" einzutragen.
Die Antragstellerin erblickt in der Werbung
des Antragsgegners eine Mißachtung des berufsrechtlichen Werbeverbots und
zugleich einen Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG. Sie nimmt
den Antragsgegner deswegen auf Unterlassung in Anspruch.
Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs hat
sie den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt, durch die es dem
Antragsgegner zuletzt untersagt werden sollte, seine Zahnarztpraxis zu
Wettbewerbszwecken in Datennetzen, die in Rheinland-Pfalz abrufbar sind,
insbesondere im "Internet", darzustellen, indem er einen Überblick über das
Praxisteam gibt, seine Dienstleistungen anbietet und dazu Abbildungen verwendet,
ferner ein Gästebuch benutzt, in das sich Benutzer eintragen bzw. in dem sie
Eintragungen lesen können; indem er für zum Verkauf angebotene Zahnpflegeartikel
besondere Empfehlungen gibt; indem er zur Zahnpflege und zu zahnmedizinischen
Fragen Stellung nimmt und/oder seine Hilfe dazu anbietet; indem er künstlerische
Werke vorstellt, täglich wechselnde "Dr. Vorbeck Tips" gibt und Gewinnspiele
veranstaltet. Der Antragsgegner ist dem Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin
entgegengetreten.
Das Landgericht hat in einer nach mündlicher
Verhandlung ergangenen Entscheidung dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen
Verfügung nur teilweise entsprochen. Im Ergebnis hat es dem Antragsgegner
untersagt, im Internet ein Gästebuch zu führen, angebotene Zahnpflegeartikel mit
seinen besonderen Empfehlungen zu versehen, "Dental Paintings" darzubieten und
Gewinnspiele zu veranstalten. Den weitergehenden Verbotsantrag hat es
zurückgewiesen.
Gegen die Entscheidung des Landgerichts haben beide Parteien Berufung eingelegt.
Die Antragstellerin hatte zunächst beantragt, dem Antragsgegner unter Abänderung des angefochtenen Urteils und über die bereits erlassenen Verbote hinaus zu untersagen, seine Zahnarztpraxis zu Wettbewerbszwecken in einem in Rheinland-Pfalz abrufbaren Datennetz darzustellen, indem er insbesondere im Internet Anschrift und Telefonnummer seiner Praxis angibt, Sprechzeiten und/oder einen Lageplan seiner Praxis verbreitet bzw. entsprechende Angaben durch Dritte veranlaßt und/oder sein "Praxisteam" vorstellt und/oder für zahnärztliche Dienstleistungen bzw. Zahnpflegeartikel wirbt und/oder eine Beratung zu zahnmedizinischen Problemen per "e-Mail" anbietet.
Dazu hat sie mehrere Hilfsanträge gestellt.
Später hat sie Hauptantrag und Hilfsanträge insoweit zurückgenommen, als dem Antragsgegner verboten werden sollte, im Internet Namen und Sprechzeiten sowie Adresse, Telefon- und Telefaxnummer seiner Praxis anzugeben.
Der Antragsgegner hat das erstinstanzliche Urteil nicht in vollem Umfang angefochten. Er nimmt es hin, daß er Zahnpflegeartikel nicht mit seiner besonderen Empfehlung im Internet zum Verkauf anbieten darf. Im übrigen beantragt er die Aufhebung der einstweiligen Verfügung.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Parteien und die zu den Akten gereichten Computerausdrucke der Homepage und der Web-Pages verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Berufung der Antragstellerin ist nur
zum Teil begründet. Das Rechtsmittel des Antragsgegners hat dagegen in vollem
Umfang Erfolg.
1. Nach §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO darf eine durch Urteil erlassene einstweilige Verfügung nicht mehr vollzogen werden, wenn seit
dem Tage ihrer Verkündung ein Monat verstrichen ist. Dabei bedeutet Vollziehung
die Zwangsvollstreckung der einstweiligen Verfügung, die sich allerdings, sofern
sie, wie hier, in einem Unterlassungsgebot besteht, nicht durch unmittelbaren
Zwang durchsetzen läßt (vgl. BGH WRP 1993, 308, 309 - Straßenverengung). Aus
diesem Grunde ist es zur Vollziehung einer auf Unterlassung gerichteten, bereits
mit einer Ordnungsmittelandrohung nach § 890 Abs. 2 ZPO versehenen
Urteilsverfügung ausreichend, aber auch erforderlich, daß der Gläubiger
innerhalb der Vollziehungsfrist tätig wird und seinen Willen kundgibt, von der
einstweiligen Verfügung Gebrauch zu machen (vgl. BGH aaO.; BGH WRP 1989, 514,
515). Die nach § 317 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu bewirkende Zustellung
des verkündeten Urteils genügt zu diesem Zweck nach herrschender Meinung nicht
(BGH aaO.; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht 19. Aufl. § 25 UWG Rn. 59).
Welche Maßnahmen geeignet gewesen wären, die einstweilige Verfügung zu
vollziehen, ist hier nicht zu entscheiden, weil die Antragstellerin gänzlich
untätig geblieben ist. Die Versäumung der Vollziehungsfrist, gegen die es keine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine andere Heilungsmöglichkeit gibt,
ist von Amts wegen zu beachten. Sie hat zur Folge, daß die vom Landgericht
erlassene einstweilige Verfügung ihre Wirkung verloren hat und schon aus diesem
Grunde auf die Berufung des Antragsgegners im Umfang der erklärten Anfechtung
aufzuheben ist (vgl. Senat GRUR 1981, 91, 92; siehe auch Baumbach/Hefermehl aaO. § 25 UWG Rn. 63 mwN.).
2. a) Die Landeszahnärztekammer
Rheinland-Pfalz ist zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen ihrer Mitglieder
befugt. Ihr Prozeßführungsrecht und ihre Sachlegitimation ergeben sich aus § 13
Abs. 2 Nr. 2 UWG (vgl. BGH WRP 1990, 319, 320 - Gruppenprofil m.w.N.). Der
Antragsgegner zieht das nicht in Zweifel, so daß sich hierzu weitere
Ausführungen erübrigen.
b) Dem mit der Berufung weiterverfolgten
Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin kann nicht in vollem Umfang entsprochen
werden, weil die erforderliche Dringlichkeit für ein Verbot aller nach den
zuletzt gestellten Anträgen noch beanstandeten werblichen Darstellungen des
Antragsgegners nicht vorliegt.
Nach §§ 935, 940 ZPO ist eine einstweilige
Verfügung nur zulässig, wenn sie zum Schutz vor einem Rechtsverlust oder zur
Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint, der in Anspruch genommene
Rechtsschutz also keinen Aufschub duldet. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen
hat der Antragsteller glaubhaft zu machen. Geht es, wie hier, um die Sicherung
wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche, wird ihm die
Glaubhaftmachungslast allerdings dadurch erleichtert, daß § 25 UWG eine
tatsächliche Vermutung für das Bestehen einer Dringlichkeit begründet. Diese
Vermutung ist jedoch widerleglich, kann insbesondere auch durch das eigene
Verhalten des Antragstellers widerlegt werden. Im vorliegenden Fall ist das zum
Teil geschehen.
Ursprünglich war das Gesuch auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung darauf gerichtet, es dem Antragsgegner zu verbieten,
seine Zahnarztpraxis zu Wettbewerbszwecken in Datennetzen, insbesondere im
Internet, darzustellen, soweit diese Darstellung über die Angabe des Namens mit
akademischen Graden und ärztlichen Titeln, der Dienst- und Privatanschrift mit
Telefon- und Telefaxnummer, der Zulassung für Krankenkassen und etwaiger
Urlaubs- oder Krankheitsvertretung hinausgeht. Es hatte demnach ein umfassendes
Wettbewerbsverbot zum Ziel, von dem lediglich die nach § 12 der Berufsordnung
für Zahnärzte im Lande Rheinland-Pfalz vom 28. November 1980 (B0) zulässigen
Angaben ausgenommen sein sollten. Nachdem das Landgericht die Antragstellerin
auf Bedenken wegen einer zu weiten Fassung des Verbotsantrags und des fehlenden
Bezugs zu den konkreten Verletzungshandlungen hingewiesen hatte, hat die
Antragstellerin den Bedenken durch die Formulierung eines neuen Antrags Rechnung
getragen, der nunmehr zwar konkret bezeichnete werbliche Darstellungen zum
Gegenstand hatte, aber auch eine teilweise Rücknahme des anfänglich gestellten
Antrags bedeutete. Nicht mehr verboten werden sollten die Angabe der örtlichen
Lage der Praxis sowie die Beantwortung von Fragen zur Praxis oder zu
zahnmedizinischen Problemen auf dem Weg des "e-Mail". Nach dem neu formulierten
Antrag sollte außerdem das Feilhalten von Zahnpflegeartikeln nur für den Fall
untersagt werden, daß der Antragsgegner für den Verkauf mit besonderen
Empfehlungen warb. Aus der Beschränkung des anfangs gestellten Antrags ist zu
folgern, daß die Antragstellerin ein Verbot der vorbezeichneten Angaben und
Handlungen oder - im Fall der Zahnpflegeartikel - ein generelles Werbeverbot für
nicht mehr so dringlich gehalten hat. Im Gegensatz dazu wird mit den
Berufungsanträgen jetzt wieder ein Verbot auch dieser Angaben und Handlungen
erstrebt, ohne insoweit das Entstehen einer neuen Dringlichkeit darzutun.
Ein Verfügungsgrund im Sinne der §§ 935, 940
ZPO kann hiernach nur für ein Verbot derjenigen Darstellungen angenommen werden,
mit denen sich der Antragsgegner im Internet unter den Rubriken "Das Praxisteam"
und "Unsere Dienstleistungen" an das Publikum wendet.
3. Gegen ein derartiges Unterlassungsgebot
bestehen weder verfassungsrechtliche noch sachlich-rechtliche Bedenken.
a) Die Antragstellerin kann Verstöße ihrer
Mitglieder gegen die Berufsordnung nicht nur mit standesrechtlichen Maßnahmen,
sondern auch mit dem Anspruch auf Unterlassung nach § 1 UWG verfolgen (vgl. BGH
WRP 1996, 1024, 1025 - Laborbotendienst m.w.N.). Das gilt in Sonderheit für eine
berufswidrige Werbung, die immer gegen die guten wettbewerblichen Sitten
verstößt.
Nach § 13 Abs. 1 BO sind dem Zahnarzt jede
Werbung und Anpreisung untersagt, wobei mit Anpreisung vermutlich die
Erscheinungsformen einer übersteigerten oder aufdringlichen Werbung gemeint
sind. Dieses Werbeverbot unterliegt grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen
Bedenken, obwohl es in die durch Art. 12 GG geschützte Freiheit der
Berufsausübung eingreift. Allerdings bedürfen derartige Eingriffe nach Art. 12
Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den Anforderungen der
Verfassung an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt. Der § 14 Abs. 1 des
Heilberufsgesetzes vom 20. Oktober 1978 (HeilBG) stellt indessen eine
ausreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß einer
Berufsordnung mit Werbeverboten und -Beschränkungen dar (vgl. BVerfG NJW 1994,
1591, 1592; BVerfG WRP 1996, 1087, 1093 - Apotheker-Werbeverbote). Ungeachtet
dessen kann das berufsrechtliche Werbeverbot von Verfassungs wegen Geltung nur
insoweit beanspruchen, als es durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls
gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt (BVerfG
GRUR 1986, 382, 384 - Arztwerbung). Das Werbeverbot des § 13 BO entspricht
diesen Anforderungen.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß § 12 BO dem
Zahnarzt eine Reihe von öffentlichen Ankündigungen mit werbendem Charakter
erlaubt. Er darf neben der Berufsbezeichnung "Zahnarzt" rechtmäßig erworbene
Titel und Facharztbezeichnungen führen, seine Tätigkeit unter Angabe des Namens,
der Anschrift, der Telefonnummer und der Zulassung zu Krankenkassen durch ein
Praxisschild sowie - zu bestimmten Anlässen - in Zeitungsanzeigen und durch
Aufnahme in amtlichen Verzeichnissen öffentlich bekanntgeben. Daran zeigt sich,
daß § 13 BO dem Zahnarzt nicht schlechthin jede Werbung verbietet, sondern nur
die berufswidrige Werbung. So verstanden ist das allgemeine Werbeverbot
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Nicht die Vorschrift des § 13 BO als
solche, sondern allenfalls ihre Anwendung im Einzelfall könnte zu einer
unzumutbaren Belastung für den Zahnarzt führen (vgl. BVerfG GRUR 1986, 382, 385
- Arztwerbung).
Der Begriff der berufswidrigen Werbung
erschließt sich aus dem Berufsbild des Zahnarztes. Die Ausübung der
Zahnheilkunde ist kein Gewerbe (§ 1 Abs. 4 des Gesetzes über die Ausübung der
Heilkunde, § 1 Abs. 1 Satz 2 BO). Der Zahnarzt hat seinen Beruf gewissenhaft
auszuüben und dem ihm im Zusammenhang mit dem Beruf entgegengebrachten Vertrauen
zu entsprechen (§ 20 Abs. 1 HeilBG). Er hat bei der Ausübung seines Berufes auf
das Wohl des einzelnen ebenso Rücksicht zu nehmen wie auf das Wohl der
Gesamtheit und seine eigenen Interessen mit diesem Ziel in sittlichen Einklang
zu bringen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 BO). Seine berufliche Aufgabe, Zahn-, Mund- und
Kieferkrankheiten zu behandeln, hat er nach seinem Gewissen und den Geboten des
ärztlichen Ethos zu erfüllen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BO). Diese Normen sind nicht
allein Ausdruck einer Standesüberzeugung, sondern entsprechen heute noch
weitgehend der allgemeinen Anschauung über den Beruf des Zahnarztes und seiner
Ausübung.
b) Demgemäß verfolgt das Werbeverbot des § 13
BO in erster Linie den Zweck, eine Verfälschung des Berufsbildes des Zahnarztes
durch den Gebrauch von Werbemethoden zu verhindern, wie sie in der gewerblichen
Wirtschaft üblich sind. Darüber hinaus dient es dem Schutz der Bevölkerung vor
unsachlicher Beeinflussung, da sich Kranke leicht verunsichern und beeinflussen
lassen und aus diesem Grund vor Anpreisungen bewahrt werden sollen (vgl. BVerfG
GRUR 1986, 382, 384 f. - Arztwerbung; BGH WRP 1994, 859, 861 - GmbH-Werbung für
ambulante ärztliche Leistungen). Nicht zuletzt soll das Werbeverbot dazu
beitragen, das berufliche Verantwortungsgefühl des Zahnarztes und das Vertrauen
der Öffentlichkeit in den Berufsstand zu stärken (vgl. BVerfG WRP 1996, 1087,
1093 - Apotheker-Werbeverbote). Vor allem soll die Bevölkerung darauf vertrauen
dürfen, daß der Zahnarzt sich nicht von Gewinnstreben leiten läßt, sondern
seinen Beruf im Dienste der Gesundheit des einzelnen und in Verantwortung für
die Volksgesundheit ausübt. Die Werbung, die der Antragsgegner im Internet
treibt, läßt sich mit diesen Grundsätzen und dem Berufsbild des Zahnarztes nicht
vereinbaren. Für diese Beurteilung ist die Art des als Werbeträger genutzten
Mediums ohne entscheidende Bedeutung, vielmehr ist es die Art und Weise der
Außendarstellung, die Anstoß erregt.
c) Die berufliche Außendarstellung des
Antragsgegners im Internet beruht nicht auf selbstlosen Motiven, dient auch
nicht der Befriedigung eines allgemeinen Informationsbedürfnisses der
Bevölkerung. Sie soll Aufmerksamkeit erregen und von der Leistungsfähigkeit des
Antragsgegners und seiner Praxis überzeugen. Damit zielt sie eindeutig darauf
ab, Patienten zu gewinnen. Hierbei ist der Umstand, daß der Antragsgegner als
Zahnarzt im Internet wirbt, zusätzlich geeignet, Aufmerksamkeit auf ihn zu
ziehen, weil ein solcher Arzt manchem als besonders aufgeschlossen und
fortschrittlich erscheinen wird. Dies könnte auch zu voreiligen Schlüssen auf
eine besondere fachliche Qualifikation des Antragsgegners führen, für deren
Beurteilung jedoch andere Kriterien maßgeblich sein müssen.
aa) Die Werbung des Antragsgegners im Internet
weist alle Elemente einer kommerziellen Reklame auf. Sie ist darauf angelegt,
auf werbepsychologisch geschickte Weise ein positives Bild von den Fähigkeiten
und Leistungen des Antragsgegners entstehen zu lassen, und dies mit der
Aufforderung zu verbinden, diese Leistungen in Anspruch zu nehmen. Um dies zu
beurteilen, verbietet sich eine isolierte und zergliedernde Betrachtung der
einzelnen Inhalte der Werbung, vielmehr ist die berufliche Außendarstellung des
Antragsgegners in ihrer Gesamtheit zu würdigen, auch wenn im vorliegenden
Verfahren aus prozessualen Gründen ein einstweiliges Verbot der berufswidrigen
Werbung nur in wenigen Punkten in Frage kommt.
bb) Die Werbung des Antragsgegners entspricht
bereits nach ihrer Aufmachung und Konzeption weitgehend der Reklame eines
Kaufmanns oder sonstigen Gewerbetreibenden. Einen Unterschied gibt es nur in der
Art der Leistungen und Waren, die angeboten werden.
Wie bei einer Werbebroschüre der vielfach in
der gewerblichen Wirtschaft unzutreffenden Art beginnt der Antragsgegner in
seiner Internet-Werbung unter der Überschrift "Das Praxisteam" mit einer
allgemeinen Beschreibung seiner Praxis, um mit Angaben über die räumliche Größe
sowie die personelle und sachliche Ausstattung ein Bild von der
Leistungsfähigkeit der Praxis zu vermitteln. Dabei wird dem potentiellen
Patienten versichert, sich professionell um seine zahnmedizinischen Probleme zu
kümmern und ihm die gesamte Palette zahnärztlicher Behandlungsmöglichkeiten
unter sterilen Bedingungen zu bieten, was suggeriert, daß andere Zahnärzte dazu
nicht in der Lage sind. Es fehlt auch nicht der Hinweis auf eine
behindertengerechte Gestaltung der Praxis und ihres Zugangs sowie auf eine
ausreichende Zahl von Parkplätzen in unmittelbarer Nähe. Erwähnt wird ferner die
Zusammenarbeit mit einem als kompetent bezeichneten Labor "mit qualitativ
hochwertigen Leistungen". Zum Schluß gibt es noch den Hinweis auf ein "Recall-System",
das den Patienten die Möglichkeit bietet, sich automatisch in bestimmten
zeitlichen Abständen an den nächsten Kontrolltermin erinnern zu lassen.
Auf der folgenden Web-Page bietet der
Antragsgegner unter der Überschrift "Unsere Dienstleistungen" verschiedene
zahnärztliche Leistungen an, deren Kosten größtenteils nicht von den
gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Im einzelnen handelt es sich um
die "Aufnahme eines Mundhygienestatus mit Intensivmotivation", um eine "Lokale
Fluoridierung aller Zähne", um eine "Fissurenversiegelung", um eine "Air-Flow
Behandlung" und um das Anbringen eines "Dazzler", eines Goldschmucks, der
mittels eines Kunststoffs am Zahn befestigt wird. Zu jeder Leistung werden die
Preise angegeben.
Die nächste Web-Page enthält neben der genauen
Anschrift einen Ausschnitt aus dem Stadtplan von Trier, aus dem die genaue Lage
der Praxis ersichtlich ist. Auf der mit "Gästebuch" überschriebenen Web-Page
erhält der Internetbenutzer die Gelegenheit, sich mit seinem Namen und seinem
Wohnort einzutragen und eine Mitteilung zu hinterlassen. Dabei wird ihm
zugesichert, "daß sämtliche Informationen und Adressen, die im Gästebuch
hinterlegt werden, weder gesammelt noch zu Anwerbungs- oder kommerziellen
Zwecken mißbraucht werden". Unter der Rubrik "eMail-Doctor Vorbeck" wendet sich
der Antragsgegner mit folgendem Angebot an das Publikum: "Liebe InternetUser,
wenn Sie Fragen zu meiner Praxis oder zu zahnmedizinischen Problemen haben,
können Sie sich gerne vertrauensvoll an mich wenden. Ich versuche, Ihre Anliegen
umgehend zu beantworten." Bis zum Erlaß der einstweiligen Verfügung durch das
Landgericht warb der Antragsgegner im Internet außerdem für den Kauf von
Zahnpflegeartikeln im eigenen "Praxis-Shop", und dies, obwohl die gewerbsmäßige
Abgabe von Mundpflegeartikeln nach § 15 Abs. 2 BO unstatthaft ist. Alle Produkte
waren ausdrücklich von ihm empfohlen, einige von ihnen sogar zusätzlich mit
einer besonderen Empfehlung versehen. An Stelle der Werbung für den Kauf
bestimmter Zahnpflegeartikel gibt es jetzt ein Kapitel "Zahnpflegeprodukte", in
dem sich der Antragsgegner in allgemeiner Form mit solchen Produkten und ihrer
Anwendung ein eigenes Kapitel ist dabei den Zahnputztechniken gewidmet, ergänzt
durch Ratschläge, wie man sich vor Karies schützen kann. Auf Empfehlungen wird
auch hier nicht ganz verzichtet, denn der Antragsgegner empfiehlt für die
Reinigung der Zähne eine ganz bestimmte, namentlich genannte Zahnbürste.
Unter den Stichworten "Kieferorthopädie",
"Implantate" und "Parodontitis" findet der Internet-Benutzer kurze Abhandlungen
über Zahn- und Kieferkrankheiten und ihre Behandlung, deren Informationswert
infolge der Knappheit der jeweiligen Darstellung jedoch nur gering ist. In allen
Fällen enthalten diese Abhandlungen einen Hinweis auf die Möglichkeit, die
genannten Krankheiten in der Praxis des Antragsgegners behandeln zu lassen. In
der Rubrik "Aktuell" äußert der Antragsgegner in ebenfalls knapper Form seine
Meinung über die umstrittene Verwendung von Amalgam als Füllungsmaterial und
bietet an, Interessenten über Füllungen aus anderen Materialien sowie über eine
Amalgamsanierung und Entgiftung zu beraten. Mit der Behandlung zahnmedizinischer
Themen wird somit nicht einem wirklichen Informationsbedürfnis entsprochen,
sondern eindeutig Werbung getrieben.
Dies gilt erst recht für die Veranstaltung
eines Gewinnspiels, bei dem der Internet-Benutzer aufgefordert wird, nach einer
in den Web-Pages versteckten kleinen Zahnbürste zu suchen, und bei dem er eine
elektrische Zahnbürste im Wert von 260 DM gewinnen kann. Der Antragsgegner
erläutert dem Teilnehmer gleichzeitig auch den Zweck, der mit dem Gewinnspiel
verfolgt wird, nämlich einen Anreiz zu schaffen, "sich informativ durch unsere
Web-Site zu bewegen". Die Präsentation von "Dental Paintings", worunter die
bildhafte Darstellung von zahnmedizinischen Themen zu verstehen ist, dient
ersichtlich ebenfalls dem Zweck, die Aufmerksamkeit des zunächst nur wenig
interessierten Internet-Benutzers für eine Weile zu fesseln.
d) Alles in allem erweckt die berufliche
Außendarstellung des Antragsgegners im Internet den Eindruck, als ob
vorherrschend Gewinnstreben ihn dazu bestimmt, sich einer für Zahnärzte
ungewöhnlichen, nach Form und Inhalt aus dem Rahmen fallenden Werbung zu
bedienen. Der Eindruck mag täuschen. Darauf kommt es jedoch nicht an.
Entscheidend ist, daß die Werbung geeignet ist, ein falsches Bild vom Beruf des
Zahnarztes entstehen zu lassen. Hinzukommt, daß namentlich die Darstellungen in
den Rubriken "Das Praxisteam" und "Unsere Dienstleistungen", um die es hier noch
geht, ausgesprochen reklamehafte Aussagen enthalten. Es gibt keine vernünftigen
Erwägungen des Gemeinwohls, die eine derartige Werbung rechtfertigen. Es ist
auch nicht erkennbar, daß das Verbot einer solchen Werbung den Antragsgegner
unverhältnismäßig belastet.
e) Abschließend ist noch festzustellen, daß
die Werbung des Antragsgegners im Internet auch geeignet ist, den Wettbewerb der
in Rheinland-Pfalz niedergelassenen Zahnärzte wesentlich zu beeinträchtigen (§
13 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Würde sie geduldet, läge die Gefahr nahe, daß auch andere
Zahnärzte in gleicher Weise Werbung treiben und mit reklamehaften Anpreisungen
Patienten zu gewinnen versuchen würden. Dadurch würden nicht nur die Interessen
der Zahnärzte nachhaltig berührt, die ihre Außendarstellung von allen Elementen
einer kommerziellen Werbung freihalten, sondern auch das Interesse der
Allgemeinheit, vor unsachlicher Beeinflussung durch die Werbung von Zahnärzten
bewahrt zu bleiben.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92
Abs. 1 Satz 1, 97 Abs. 1 und einer entsprechenden Anwendung des § 269 Abs. 3
Satz 2 ZPO.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird
auf 50.000 DM festgesetzt.
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