Amalgam-Informationen

© 1999 Berliner SHG AMALGAM / Dr. Siegfried Eyhorn. Eingescannt am 26.6.99.


 

BUNDESMINISTERIUM FÜR GESUNDHEIT

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Geschäftszeichen (Bei allen Antworten bitte angeben)
Bonn, den 2. Juni 1999
Tel.: (0228) 941-1171 oder 941-0
Fax: (0228) 941-4919 oder 941-4900
Postanschrift Bundesministerium für Gesundheit. 53108 Bonn

Selbsthilfegruppe AMALGAM
c/oSEKIS
Albrecht-Achilles-Str. 65

10709 Berlin

 

 

Betr.: Amalgam
         hier: Ihr Schreiben vom 1. Januar 1999 an den Herrn Bundespräsidenten

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr oben genanntes Schreiben wurde vom Bundespräsidialamt an das Bundesministerium für Gesundheit zur Beantwortung weitergeleitet. Für die verspätete Beantwortung Ihres Schreibens bitte ich um Entschuldigung. Die Antwort hat sich deshalb verzögert, weil ich die Ergebnisse von Beratungen bei der EU-Kommission zu Amalgam mit berücksichtigen wollte. Mit den folgenden Ausführungen gebe ich Ihnen einen Überblick über den neuesten Stand.

Amalgam gehört mit den anderen Füllungswerkstoffen und Dentalgußlegierungen zu der Gruppe der Restaurationsmaterialien in der Zahnmedizin. Es enthält Quecksilber und andere Metalle. Die Restaurationsmaterialien unterliegen seit dem 14. Juni 1998 ausschließlich dem europäischen und deutschen Medizinprodukterecht. Für alle diese Produkte muß der Hersteller für das Inverkehrbringen die in der Europäischen Union einheitlich vorgeschriebenen ,,Grundlegenden Anforderungen" erfüllen sowie eine Risikoanalyse und eine klinische Bewertung mit ggf. klinischen Prüfungen durchführen. Die Produkte müssen von speziellen Prüfstellen, die dafür von Behörden benannt und überwacht werden, zertifiziert werden und unterliegen der Marktüberwachung sowie einem EU-weiten System zur Risikomeldung, -erfassung, -bewertung und -abwehr. Für die Risikoerfassung und -bewertung ist in Deutschland das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und für die Risikoabwehr sind die Bundesländer zuständig.

 

 

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Die Anwendung der Produkte und die Verpflichtung zur Risikominimierung durch den Zahnarzt unterliegen der Medizinprodukte-Betreiberverordnung.

Die Europäische Kommission hatte zu Amalgam und dessen Alternativen eine Expertengruppe aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Beteiligung von europäischen Patientengruppen und Wissenschaftlern anderer Staaten eingesetzt. In dieser Gruppe hat auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mitgearbeitet. Diese Gruppe hat das weltweit zur Verfügung stehende Erkenntnismaterial ausgewertet. Die Ergebnisse enthalten u. a. Sicherheitsanforderungen an Amalgam, die an die Hersteller, Prüfstellen und Überwachungsbehörden gerichtet sind.

Die medizinische und toxikologische Bewertung von Amalgam und den anderen Restaurationsmaterialien ergibt, daß für Amalgam ebenso wie für alle anderen dieser Materialien Nebenwirkungen und insbesondere Risiken von Hautunverträglichkeiten und Allergien bestehen. Weitere zugeschriebene Nebenwirkungen wie z.B. Störungen des Nervensystems oder des Autoimmunsystems konnten nicht bestätigt werden.

Die sog. ,,Tübinger-Studie" und die sog. ,,Wassermann-Studie" - letztere hatte die Staatsanwaltschaft Frankfurt erstellen lassen - wurden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte unter Beteiligung der Autoren und von Experten bewertet; sie bringen keine neuen Erkenntnisse, die Anlaß geben könnten, die bisherige Risikobeurteilung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu ändern.

Weder das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte noch die Europäische Kommission sehen z.Zt. einen begründeten Verdacht, daß das Quecksilber aus Amalgam negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat, die seine Verkehrsfähigkeit in Frage stellt.

Vom Bundesministerium für Gesundheit wurde zusammen mit den betroffenen Kreisen und dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte folgendes Konsenspapier zu Restaurationsmaterialien in der Zahnheilkunde erarbeitet.

 

1. Die besonderen Vorsichtsvorkehrungen für Schwangere und Stillende sowie hinsichtlich Allergien betreffen nicht nur Amalgam, sondern auch andere Restaurationsmaterialien.

Allergie

Restaurationsmaterialien sind generell nicht zu verwenden, wenn eine nachgewiesene Allergie gegen einen Bestandteil des Restaurationsmateriales vorliegt.

Schwangerschaft

Bei Schwangeren soll auf eine umfangreiche Füllungstherapie verzichtet werden, die über eine Notfallbehandlung (z. B. Schmerzbehandlung, Füllungsverlust) hinausgeht. Bei Schwangeren sollen möglichst keine Amalgamfüllungen gelegt bzw. entfernt werden. Nach derzeitigem Stand des Wissens gibt es keinen Beleg, daß die Belastung des Unge-

 

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borenen mit Quecksilber aus den Amalgamfüllungen der Mutter gesundheitliche Schäden beim Kind verursacht.

Generell sollten während der Schwangerschaft nur kurz dauernde Behandlungen durchgeführt werden, da Diagnose und Therapie nur eingeschränkt möglich sind. Alternativ zu Amalgam sind Glasionomere, Kompomere u. ä. möglich.

2. Der Hinweis auf Einschränkungen bei schweren Nierenfunktionsstörungen zielt primär auf das Quecksilber im Amalgam.

Schwere Nierenfunktionsstörungen stellen eine relative Kontraindikation für die Anwendung von Amalgam dar. Es gibt hinreichend Publikationen, die die Niere als bevorzugtes Zielorgan für eine Quecksilbervergiftung beschreiben.

3. Die Entscheidung der Anwendung der geeigneten Restaurationsmaterialien bei Kindern soll von den Zahnärzten unter der Berücksichtigung der besonderen Situation der Kinder erfolgen.

Aufgrund der besonderen Umstände im kindlichen Gebiß und der besonderen Umstände bei der Behandlung von Kindern an sich sollte indikationsbezogen das entsprechende Restaurationsmaterial ausgewählt werden. Da eine Behandlung mit Amalgam zu einer Belastung des Organismus mit Quecksilber führt, sollte aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sorgfältig geprüft werden, ob eine Amalgamtherapie notwendig ist. Dieses hat unter Berücksichtigung einer möglichen Belastung durch andere Restaurationsmaterialien zu erfolgen.

Die Gruppe der Grünen des Europäischen Parlaments hat am 7./8. Januar 1999 in Luxemburg zu Zahnamalgam und Schwermetallen ein Kolloquium durchgeführt. Die Ergebnisse werden z.Z. sowohl vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte als auch auf Anregung Deutschlands von der EU-Kommission geprüft. Außerdem soll der Wissenschaftliche Ausschuß der Europäischen Union damit befaßt werden. Sollten diese Prüfungen neue Ergebnisse bringen, die das Risiko von Amalgam höher als bisher erscheinen lassen, so werden die notwendigen Maßnahmen zur Risikoabwehr eingeleitet.

Zu den Leistungen der Krankenkassen teile ich Ihnen folgendes mit:

In den 1995 veränderten Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Füllungsleistungen heißt es: ,,Es sollen nur anerkannte und erprobte plastische Füllungsmaterialien (z.B. Amalgam, Komposites) gemäß ihrer medizinischen Indikation verwendet werden. Die aktuellen Gebrauchs- und Fachinformationen und Aufbereitungsmonographien sollen berücksichtigt werden." Damit wurde klargestellt, daß in medizinisch indizierten Fällen auch die Kosten von Komposit-Füllungen von der gesetzlichen Krankenversicherung zu tragen sind.

Andere Materialien und Versorgungsformen (z.B. Gold- und Keramik-Inlays) zahlt die Krankenkasse nur in jenen seltenen Fällen, in denen eine Amalgam-Unverträglichkeit durch den Epitukan-Test unter Beachtung der Kriterien der Kontaktallergiegruppe der Deutschen Derma-

 

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tologischen Gesellschaft nachgewiesen ist und alternative Füllungsmaterialien nicht in Betracht kommen. Mit dem am 1. November 1996 in Kraft getretenen 8. Änderungsgesetz zum Fünften Buch Sozialgesetzbuch ist auch im Bereich der Füllungstherapie eine Mehrkostenregelung eingeführt worden, wonach Versicherte, die — aus welchen Gründen auch immer — eine Füllungstherapie wählen, die über die vertragszahnärztliche Versorgung hinausgeht (z.B. ein In- oder Onlay), von der gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten für die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung erhalten. Zu der als Sachleistung gewährten Kassenleistung zählen auch die anfallenden Begleitleistungen (z.B. Anästhesie, Röntgen, besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen). Über die vertragszahnärztliche Versorgung hinausgehende Mehrkosten sind vom Versicherten selbst zu tragen.

Sofern eine Schwermetallvergiftung, unabhängig davon, wodurch sie verursacht wurde, durch medizinisch anerkannte Testmethoden nachgewiesen ist, übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung auch die notwendigen Entgiftungsmaßnahmen.

Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannte Diagnose- und Behandlungsverfahren sind Gegenstand des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes Ärzte bzw. Zahnärzte. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung dabei nur zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden, wenn die Bundesausschüsse der Ärzte/Zahnärzte und Krankenkassen zuvor in Richtlinien u.a. Empfehlungen über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben haben. Dadurch soll gesichert werden, daß grundsätzlich nur wissenschaftlich erprobte Diagnose- und Behandlungsverfahren in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Anwendung kommen. Im Einzelfall ist es jedoch möglich, daß die gesetzliche Krankenversicherung auch von der Schulmeinung abweichende Diagnose- oder Behandlungsverfahren vergüten muß. Diese spezifische Einzelfallentscheidung - nach Vorlage entsprechender medizinischer Gutachten - fällt in die alleinige Kompetenz der zuständigen Krankenkasse. Gegen eine ablehnende Entscheidung der Krankenkasse kann Widerspruch eingelegt werden; gegen belastende Widerspruchsentscheidungen steht der Sozialgerichtsweg offen.

Im Auftrag

Dr. Schorn