Das Kieler Amalgamgutachten 1997
Bernd Giacomelli
Grundsätzlich ist zur Erstellung des Gutachtens zu bemerken, daß man keine eigene Studie
gemacht hat, sondern auf die reichliche Fachliteratur zurückgegriffen hat. Die Autoren
Wassermann, Weitz, Alsen-Hinrichs haben schon in 1995 im Auftrag einer Behörde ein
Gutachten über die Toxizität des Amalgams erstellt. Man liest nun bangen Herzens, ob die
Aussagen des ersten Gutachtens relativiert wurden oder ob ein Rückzieher geschehen ist.
Gottlob, die Aussagen haben alle Bestand; der Unterschied liegt in der Form (Anonymisierung).
Nach der Auslieferung des Gutachtens 1995 hat sich einiges ereignet, was eine Bestätigung
darstellt. Dem neuen Gutachten wurde ein Vorwort hinzugefügt:

1. Die Basis ist die allgemein zugängliche wissenschaftliche Fachliteratur. -
In 1996 wurde die Tübinger Amlagamstudie vorgestellt, an der die breite Basis
und die methodische Sorgfalt bei der Absicherung von Bedeutung ist. Die
Ergebnisse waren vorhersehbar.
Die staatliche kanadische Gesundheitsbehörde „Health Canada" hat Erklärungen
abgegeben, die sich mit der Meinung der Autoren decken. Erfreulich ist in diesem
Zusammenhang die Konsequenz: Es gehört zu den Pflichten des Patienten, den
Zahnarzt über gesundheitliche Veränderungen zu informieren (damit die Ursache
Quecksilber erkannt und Schäden vermieden werden können).
Nach Fertigstellung des ersten Gutachtens (und wohl unter dem Eindruck dieser
Daten) hat ein Amalgamhersteller zur Abwendung eines Verfahren 1,5 Mio DM
bezahlt. Die Summe ist nicht hoch angesichts der Tragweite der Schäden, jedoch
in der deutschen Rechtsgeschichte ein einmaliger Vorgang !
2. Die Hersteller verhalten sich alle gleich. Deshalb soll nicht ein einzelner
        gebrandmarkt werden. Firmen werden nicht genannt. Soweit sie
        doch genannt werden, beruht das darauf, daß sich leitende Mitarbeiter
        in der fachlichen Diskussion hervorgetan haben und so in die Literatur
        eingegangen sind.
3. Die auftraggebende Behörde machte für die Publizierung des ersten Gutachtens zur
Bedingung, daß die Anonymität des Herstellers gewahrt werde. Die Autoren
modifizierten, die Behörde blieb bei der Weigerung, zu veröffentlichen. Die
Behörde (der neue Staatsanwalt) setzte die Gefälligkeit gegen den Hersteller über
das Interesse der Patienten an der Publizierung des Kernstücks der fünfjährigen
Ermittlungen !
Justitia ist nicht blind; Sie hat eine Wahrnehmung des Einflusses einer mächtigen
Gruppe oder des Zusammenspiels mächtiger Gruppen. Gewaltenteilung ?
Unabhängige Justiz ?

Da nicht jeder das Gutachten im Bücherschrank stehen hat, seien hier Auszüge aus dem
131seitigen Gutachten wiedergegeben. Seit der Einführung der Amalgame hat es Diskussionen
und warnende Stimmen gegeben. Die Kupferamalgame wurden Anfang unseres Jahrhunderts
wegen ihrer noch schlechterern Werkstofflichen Eigenschaften von den Silberamalgamen
abgelöst.
Unter „Kinetik" wird der Weg des Quecksilbers durch den Körper erklärt, der davon abhängt, ob
es metallisch, metallisch als Dampf, als Ionen oder als organische Verbindung auftritt. In diesen
3 Zuständen verursacht es sowohl die akute als auch die chronische Vergiftung, jeweils in
anderer Ausprägung. Die Symptome der akuten Vergiftung werden auf knapp einer Seite
wiedergegeben, für die Symptome der chronischen Vergiftung benötigt man 2 Seiten. (Wen
wundert's, die akute Vergiftung erfolgt plötzlich (Unfall), bei der chronischen hat das Gift Jahre
und Jahrzehnte Zeit, in alle Segmente und Transportsysteme einzudringen.) Beim
Zusammenwirken von 3 Ursachen (Dampf, Ionen, Methylquecksilber) sind natürlich viele
Kombinationen denkbar in der Stärke der einzelnen Faktoren. Wenn man nun die großen
gesundheitlichen Unterschiede von Patient zu Patient in Rechnung stellt und die Spanne des
Einwirkens von einem Jahr bis zu mehreren Jahrzehnten (1), dann wird die Vielfalt unseres
Krankheitsbildes voll erklärbar. (Anmerkung des Verfassers: Erwähnt sei eine frühe, warnende
Stimme: Der Chemiker Prof. Stock (Berlin/Karlsruhe), der 1926 die Natur der Krankheit klar
erkannte. Er selbst hatte unter Dämpfen zu leiden gehabt. Er zeigte an Beispielen die leichte
Möglichkeit der Heilung auf.)
Tests zeigten 1934 an 11-13jährigen Schülern den Leistungsabfall auf nach dem Legen von
Füllungen ! 1927 wurde auf das Problem der großen Menge an Amalgam hingewiesen, die zu den
schlimmen Fällen führen. Metall-Ionen werden freigesetzt, die systemische Auswirkungen...
aufweisen / Rehberg, 1982. Der Ort der Belastung wird untersucht: Speichel, Atemluft, Urin,
usw.. Der Weg des Quecksilbers kann durch radioaktive Markierung verfolgt werden. Die
Bewertung solcher Belastungen hat zu berücksichtigen, daß Amalgam immer zu einer Exposition
in mehreren Formen führt, etwa Dampf + Ionen.
In der Bevölkerung werden alle Reaktionen gefunden: Von hoher Resistenz bis zu hoher
Empfindlichkeit gegenüber Quecksilber ! Es gibt keine Menge, die für alle ungiftig wäre. Häufig
erfolgen Verarbeitungsfehler beim Legen der Füllungen. Dadurch sinkt die Qualität der
Füllungen erheblich, das heißt die Gefahr für den Patienten steigt. Die geringe Vergütung durch
die Kassen läßt die Entwicklung hin zur geringsten Qualität treiben. Die Hersteller kannten die
normale Gefahr des Amalgams und die durch Verarbeitungsfehler gravierend erhöhte Gefahr der
ernsten Gesundheitsschäden. Sie taten nichts, um darauf einzuwirken oder aufzuklären. Dann
folgte die Auseinandersetzung mit einigen Scheinargumenten. Es gab auch grob falsche
Darstellungen in der Presse bzgl. der Zusammensetzung: Geringste Mengen Hg statt 51 % Hg.
Und das von Leuten, die es wissen mußten. Der MAK-Wert ist ungeeignet, um die Ursachen
unserer Krankheit abzuschätzen. Dies alles war Ärzten und Chemikern bekannt.
Zum Schluß die gutachterliche Würdigung: Amalgam ist ein toxikologisch ungeeignetes
Material. Man hat die Betroffenen in den Zustand der Ahnungslosigkeit versetzt. Die Hersteller
haben gegen ihre rechtlichen Pflichten verstoßen.
Quecksilberbelastung und Fruchtbarkeitsstörungen -
Diagnose und Therapieansätze
Vortrag auf dem Tagesseminar „Humantoxikologische Aspekte von Amalgamzahnfüllungen" am
Samstag, 22. November 1997 in Freiburg
Karin Siefert, Ingrid Gerhard, Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und
Fertilitätsstörungen, Universitäts-Frauenklinik Heidelberg
Quecksilberbelastung und Fruchtbarkeitsstörungen
Schadstoffe aus der Umwelt können die Fertilität auf allen Ebenen beeinflussen. Durch
Veränderung der Neurotransmitter im Gehirn kann die pulsatile Ausschüttung von Gonadotropin-
Releasing-Hormon (GnRH) beeinträchtigt sein (Gerhard et al. 1992a), welche eine
Grundvoraussetzung für das weibliche Zyklusgeschehen darstellt. Zahlreiche Schadstoffe, wie
z.B. Quecksilber, werden in der Hypophyse gespeichert (Danscher et al. 1990, Nylander et al.
1989, Störtebecker 1989), so daß es zu Veränderungen der Gonadotropin-Produktion (LH, FSH)
oder der Prolaktin-Sekretion kommt. Die Hirnanhangsdrüse stellt insofern eine Besonderheit
dar, als sie außerhalb der Blut-Hirn-Schranke und in unmittelbarer Nähe zur Nase liegt, so daß
ein retrograder Transport von Quecksilber entlang des N. olfactorius diskutiert wird (Gerhard et
al 1994). Außerdem kommt ihr eine zentrale Bedeutung im Zusammenhang mit der Fertilität zu.
In der Nebennierenrinde können Schadstoffe die Steroidsynthese verändern und damit
Hyperandrogenämien sowie partielle Nebennierenrinden-Insuffizienzen hervorrufen, in der
Schilddrüse Über- oder Unterfunktionen verursachen, im Ovar die Östradiol- und
Progesteronproduktion beeinflussen oder sogar chromosomale Störungen hervorrufen. Negative
Einflüsse auf die Spermaqualität äußern sich beispielsweise in verminderter Beweglichkeit der
Spermien oder vermehrt fehlgeformten Spermatozoen bis hin zu Veränderungen der
Chromosomen. Schließlich kann nach eingetretener Empfängnis die Einnistung in die
Gebärmutter gestört sein oder es kann zu Mißbildungen, Fehlgeburten, Wachstumsretardierungen
oder Frühgeburten kommen. (Literatur bei Gerhard et al. 1992a).
Die Fertilität kann von folgenden Substanzklassen beeinflußt werden: Drogen, Medikamente;
Genußgifte: Alkohol, Rauchen (nicht nur Nikotin), Kaffee; Schwermetalle, z.B. Quecksilber,
Blei, Cadmium, Arsen; Industriechemikalien, z.B. Benzol, Dioxine, PCB; Pestizide, z.B. DDT,
PCP, HCH; Strahlen (Gerhard 1993a). Bei gleichzeitiger Belastung mit mehreren dieser Stoffe
kommt es zu einer überadditiven Wirkung (ebd.).
Bekannt ist die toxische Wirkung von Methylquecksilber auf menschliche Foeten, wie durch
Vergiftungsunfälle in Japan, der ehemaligen UdSSR, Schweden, den USA und im Irak bekannt
wurde (Amin-Zaki et al. 1974, Koos et al. 1976). Für Schwangere ist deshalb der Umgang mit
Methylquecksilber am Arbeitsplatz gesetzlich verboten. Das Verfüttern von Methylquecksilber
führte bei Affen zu Hodenfunktionsstörungen (Mohamed et al. 1987).
Jedoch nehmen Menschen nicht nur Methylquecksilber (z.B. aus Fisch) auf, sondern auch
elementares und ionisiertes Quecksilber (z.B. aus Amalgamfüllungen), welches im Körper völlig
anders verstoffwechselt wird. Quecksilber aus Amalgam macht sogar den Hauptanteil der
menschlichen Quecksilberbelastung aus (Clarkson et al. 1988, WHO 1991, Begerow et al.
1994). Daher lassen sich oben genannte Forschungsergebnisse nicht einfach übertragen.
In Tierversuchen wurde gezeigt, daß sich nach dem Legen von Amalgamfüllungen Quecksilber
vor allem in der Niere, aber auch im Gehirn und im Gastrointestinaltrakt ablagert (Hahn et al.
1989 u. 1990; Danscher et al. 1990). Mehrere Autoren beschreiben eine signifikante
Abhängigkeit der Quecksilber-Konzentration in Niere und Gehirn des Menschen von der Anzahl
der Amalgamfüllungen (Nylander et al. 1987; Schiele 1988; Drasch et al. 1992).
Quecksilber ist im Tierversuch plazentagängig (Clarkson et al. 1972, Vimy et al. 1990). Auch
über die Muttermilch gelangt Quecksilber in den kindlichen Organismus. Die Zahl der
mütterlichen Amalgamfüllungen korreliert mit der Konzentration von anorganischem
Quecksilber in Niere, Leber und Gehirn von Foeten und Säuglingen (Drasch et al. 1994).
Frauen, die in Zahnarztpraxen Amalgam verarbeiteten, litten gehäuft an Zyklusstörungen
(Marinova et al. 1973, Sikorski et al. 1987). Je mehr Amalgam pro Woche von
Zahnarzthelferinnen verarbeitet wurde und je schlechter sie dabei hygienische Schutzmaßnahmen
einhielten, desto geringer war ihre Schwangerschaftsrate (Rowland 1994).
Bei Frauen mit Fertilitätsstörungen wiesen solche mit mehr als zehn Amalgamfüllungen
signifikant häufiger eine Lutealinsuffizienz auf als Frauen mit weniger Amalgamfüllungen
(Gerhard et al. 1993 u. 1995).
In einer Untersuchung an knapp 200 Frauen mit sekundärer Sterilität ergab sich ein signifikanter
Zusammenhang zwischen der Anzahl von Amalgamfüllungen und dem Ausgang (Abort oder
Geburt) einer erneuten Schwangerschaft (Rösner).
Diagnostik
In der endokrinologischen Ambulanz der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, wird den
Patientinnen bei Verdacht auf eine Quecksilberbelastung durch Amalgamfüllungen der Zähne in
Ergänzung zur Routinediagnostik der Kaugummitest und ein modifizierter DMPS-Test
angeboten.
In mehreren Untersuchungen der vergangenen Jahre kamen Gerhard et al. auf folgende
Ergebnisse: Die Quecksilberausscheidung im Urin nach oraler Gabe von 10 mg DMPS pro
Kilogramm Körpergewicht erreichte ihr Maximum nach zwei Stunden (Gerhard et al 1992b).
Sowohl die Speichel- als auch die stimulierten Urinwerte (bezogen auf Kreatinin) korrelierten
mit der Zahl der Amalgamfüllungen (ebd.). Frauen mit sehr hohen Urinwerten (> 75. Perzentile
des Gesamtkollektivs) hatten durchschnittlich fast fünffach höhere Quecksilberkonzentrationen
im Speichel als Frauen mit niedrigeren Urinwerten (ebd.). Nach intravenöser Applikation von
250 mg DMPS (seit 1991 verfügbar) zeigte sich die maximale Ausscheidung von Quecksilber
schon nach 45 Minuten (Gerhard et al. 1997). Die Quecksilberausscheidung im 45-Minuten-Urin
korrelierte eng mit der im 10-h-Sammelurin (r=0.81), jedoch war die Korrelation der Werte im
45-Minuten-Urin mit der Zahl der Füllungen und mit den Speichelwerten besser als die des 10-h-
Urins (ebd.). Auf eine Sammlung des Urins über mehrere Stunden kann demnach verzichtet
werden.
Mit zunehmender Quecksilberausscheidung im Urin nach DMPS fanden sich häufiger
rezidivierende vaginale Pilzinfektionen, Haarausfall, Allergien, Syndrom der Polycystischen
Ovarien, Hormonstörungen (Gerhard et al. 1992a, 1996). Im einzelnen fanden sich erhöhte
Hormonwerte für Prolaktin (basal u. 30 Minuten nach TRH nasal), Östradiol (Follikelphase) und
T3, erniedrigte Werte für Progesteron (Lutealphase), TSH, Cortisol und DHEA-S (Gerhard et al.
1995, 1996).
Therapie der Quecksilberbelastung
Da in der Regel eine gleichzeitige Belastung mit mehreren Schadstoffen vorliegt, ist es im
Einzelfall oft schwer zu entscheiden, welchen Anteil eine einzelne Substanz an der
Gesamtsymptomatik hat.
1. Amalgamentfernung
Sind die Quecksilber-Werte in Kaugummi- und DMPS-Test stark erhöht, ist die Entfernung des
Amalgams und die Wahl eines geeigneten Ersatzstoffes in Erwägung zu ziehen, wobei eine Reihe
von Vorsichtsmaßnahmen zu beachten ist, damit eine noch stärkere Belastung des Organismus
vermieden wird. Erfahrungsgemäß steigt die Quecksilberausscheidung im Urin unmittelbar nach
Entfernung der Füllungen kurzfristig an, um im Laufe der nächsten Monate dauerhaft auf normale
Werte (d.h. entsprechend Personen, die noch nie Amalgamfüllungen hatten und ohne berufliche
Exposition) abzufallen (siehe auch Begerow et al. 1994, Gerhard et al. 1993b u. 1997).
Läßt sich die Quelle der Quecksilberbelastung nicht entfernen, muß man versuchen, die
Ausscheidung von Quecksilber zu beschleunigen, bzw. die Giftigkeit des Quecksilbers im Körper
zu reduzieren. Hierzu werden die Gabe von Chelatbildnern, Vitaminen und Spurenelementen,
homöopathischen oder isopathischen Arzneimitteln diskutiert.
2. Chelatbildner
DMPS bildet mit vielen Schwermetallen stabile, wasserlösliche Komplexe und hat sich seit
langem zur Entgiftung von Quecksilber bewährt (Campbell et al. 1986; Clarkson et al. 1981).
Jedoch ist auch hierbei vorsichtig vorzugehen. Insbesondere nach wiederholter Anwendung ist
über gehäuftes Auftreten von allergischen Reaktionen berichtet worden. Auch ist zu
berücksichtigen daß andere Metalle, wie z.B. Zink, mit ausgeschwemmt werden (Daunderer
1990).
3. Spurenelemente und Vitamine
Selen ist ein essentieller Bestandteil der Glutathionperoxidase, die vor Peroxiden und Radikalen
schützt. Quecksilber bindet sich an Natrium-Selenit und wird dadurch entgiftet (Schrauzer 1990).
Da in Deutschland die Böden selenarm sind, besteht ein allgemeiner Selenmangel (Hartfiel u.
Schulte 1988). Die zytotoxischen Wirkungen von Quecksilber ließen sich sowohl in der
Zellkultur als auch in vivo durch Selen vollständig hemmen (Kumei u. Sato 1981).
Zink ist notwendig für die DNA- und Proteinsynthese, sowie Cofaktor von über 70 bekannten
Enzymen. Durch die chemische Ähnlichkeit von Quecksilber und Zink ist die Bindung von
Quecksilber an diese Enzyme denkbar, wodurch Stoffwechselwege blockiert, bzw. modifiziert
werden können. Ein Zinkmangel kann durch vegane oder vegetarische Ernährung hervorgerufen
oder verstärkt werden und führt unter anderem zu Beeinträchtigungen des Immunsystems (Kruse-
Jarres 1989). Wird Ratten vor einer intravenösen Quecksilberinjektion Zink verabreicht, so kann
der nephrotoxische Effekt verhindert werden (Zalups u. Cherian 1992).
Durch Diäten, wie sie gerade von Frauen häufig angewandt werden, und einseitige Ernährung ist
mit weiteren Mangelerscheinungen zu rechnen, weshalb die Gabe von einigen wichtigen
Vitaminen sinnvoll erscheint. Sowohl Vitamin C als auch Vitamin E haben einen ausgeprägten
antioxidativen Effekt. Bei Belastung von Ratten mit Methylquecksilber wurde die
Quecksilberkonzentration in Gehirn und Rückenmark am besten durch Vitamin E gesenkt
(Vijayalakshmi et al. 1992).
In einer randomisierten, vierarmigen Therapiestudie senkte die Kombination aus Zink, Selen,
Calcium, Vitamin C, Vitamin E und Knoblauch („Kombitherapie") am besten die Ausscheidung
von Quecksilber im Vergleich zur alleinigen Gabe von Zink oder Selen, bzw. zur Kontrollgruppe
(Gerhard 1993b). Das verabreichte Knoblauchpräparat ist wegen seiner SH-Gruppen ebenfalls in
der Lage, Schwermetalle zu binden.
In einer weiteren Studie an 99 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch und einer
Quecksilberausscheidung ? 100 µg/g Kreatinin war die Baby-take-home-rate (BTR) in der
Gruppe mit alleiniger Hormontherapie nur 3% gegenüber 11% in der Gruppe mit Hormonen plus
„Kombitherapie" (s.o.) und 23% in der Gruppe nach Amalgamsanierung und begleitender
Kombitherapie (Gerhard 1995).
Bei 95 Frauen mit wiederholten Fehlgeburten wurden von 32 Schwangerschaften, die nach
Hormontherapie eintraten, 48% durch eine Geburt beendet. 22 Frauen konzipierten erst nach
Amalgamentfernung und Kombitherapie. Bei ihnen waren in 82% der Fälle Geburten zu
verzeichnen (ebd.).
4. Homöopathisch potenzierte Substanzen
Einige Ärzte geben ihren PatientInnen homöopathisch potenziertes Mercurium oder Amalgam.
Im Rahmen einer prospektiven, randomisierten, kontrollierten, dreiarmigen Studie an 120
Patientinnen prüfen wir derzeit den Einfluß von Homöopathika, die einen besonderen Bezug zu
den Organen Leber und Niere haben, auf die Quecksilberausscheidung im Vergleich zum Einfluß
der Kombitherapie (Siefert et al. 1996).
Ausblick
Seit bei den Patientinnen der endokrinologischen Sprechstunde der Universitäts-Frauenklinik
Heidelberg Schadstoffbelastungen, unter anderem auch durch Zahnamalgam, abgeklärt und
behandelt werden, kann in vielen Fällen auf eine Hormontherapie verzichtet werden (Merzoug et
al. 1990).
In einer retrospektiven Auswertung an über 1000 Patientinnen der endokrinologischen Ambulanz
soll untersucht werden, inwieweit sich bei Frauen mit einer erhöhten Quecksilberausscheidung
eine Entfernung des Amalgams auf den Behandlungserfolg (Baby-take-home-rate) auswirkte.
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Karin Siefert ist Ärztin. Von März 1996 bis September 1997 arbeitete sie bei Frau Prof. Dr. med. I. Gerhard in der
Hormonsprechstunde und in der Ambulanz für Naturheilkunde der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg, Abteilung
Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen. Derzeit arbeitet sie an ihrer Promotion zum Thema
Ausschwemmen von Quecksilber.
Vimy-Studie aus Calgary: Quecksilber in der Muttermilch
Bericht aus den Amalgam-Nachrichten des Schweizer Vereins
Amalgamgeschädigter, Zürich
Eine kanadische Forschergruppe unter der Leitung des bekannten Zahnmediziners Murray J.
Vimy veröffentlichte im Februar 1997 ihre neueste Studie zum Quecksilbergehalt von
Muttermilch. Vimy und seine Kollegen Hooper, King und Lorscheider von der Medizinischen
Fakultät der Universität von Calgary wiesen nach, daß Quecksilber (Hg) aus Amalgamfüllungen
der Mutter durch die Milch auf den Säugling übergeht. Sie untersuchten die Quecksilber-
Konzentration in der Milch von 33 stilllenden Müttern. Der gemessene Quecksilber-Spiegel in
der Milch wie auch die Konzentration der Quecksilber-Dämpfe in der Mundhöhle war stest
statistisch verknüpft mit der Anzahl der Amalgamfüllungen.
In zusätzlichen Tierversuchen säugten Mutterschafe mit radioaktiv markierten Amalgamfüllungen
fremde, quecksilberfreie Lämmer. Das später in deren Gewebe, vor allem in den Nieren,
nachgewiesene radioaktive Quecksilber stammte also zweifelfrei aus der Schafsmilch.
Die Forscher verglichen die Belastung der Säuglinge mit dem behördlich zulässigen Grenzwert
für Erwachsene und rieten daher zur Vorsicht. Sie verwiesen auf die Quecksilberaufnahme schon
während der Schwangerschaft, welche von Drasch 1994 nachgewiesen wurde (im Amalgam-
Bulletin 4/1995 besprochen), insbesondere auch die besonders große Empfindlichkeit von
Säuglingen gegenüber giftigen Schwermetallen. Zu diesem Thema liegen weitere
Veröffentlichungen von Schümann (1990) sowie von Amin Zaki und Mitarbeitern (1981) vor.
Tierversuche zeigten, daß Quecksilber bei gesäugten Jungtieren zur Veränderung der
Immunabwehrzellen (Thymuszellen) und zur erhöhter Bildung weißer Blutkörperchen führte. Es
hatte auch Auswirkungen auf den Nervenwachstums-Faktor bei der Hirnentwicklung.
Es muß betont werden - mehrere Studien belegen dies -, daß die vom Quecksilber verursachten
Schäden am ungeborenen wie am Säugling im frühen Stadium von außen nicht feststellbar sind.
Die nervlichen Schäden stören die individuelle Entwicklung, das Lernvermögen, das Verhalten
und die Sinneswahrnehmungen. Sie können die Entwicklung des Individuums lebenslang
dramatisch beeinflussen. Wie Schümann 1990 aufzeigte, kann früher Kontakt mit anorganischem
oder organischem Quecksilber sogar zu geistiger Unterentwicklung führen.
Der kanadische Forscher Vimy ist ein prominentes Mitglied der amalgamkritischen International
Academy of Oral Medicine and Toxicology (IAOMT). Er kommt zum Schluß, daß durch
Amalgamfüllungen von Schwangeren und von stillenden Müttern das Ungeborene und der
Säugling dem unnötigen Risiko einer Quecksilber-Belastung ausgesetzt wird. Seine schwedische
Forscherkollegin Oskarsson forderte schon 1996 in ihrer Studie: „Wir sind zu der Überzeugung
gekommen, daß Anstrengungen gemacht werden müssen, damit die Quecksilberkonzentration bei
Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter massiv gesenkt wird." Und der bekannte amerikanische
Amalgam-Newsletter „BioProbe" verlangt, bezugnehmend auf all diese Studien: „Da nun
Amalgam-Zahnfüllungen nachweislich die Hauptursache der Quecksilber-Belastung in der
Muttermilch sind, muß die Anwendung von Amalgam bei den genannten Frauen mit sofortiger
Wirkung verboten werden." Er ruft alle Verantwortlichen und Behörden auf, die ungeborenen und
Säuglinge vor der wissenschaftlich nachgewiesenen Gesundheitsgefährdung zu schützen.
Aus: „Amalgam-Nachrichten 1/97", Verein Amalgamgeschädigter Zürich
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Juristische Aspekte der Amalgam Problematik
Prof. Dr. Erich Schöndorf - Fachhochschule Frankfurt am Main
Zwei Haftungen stehen zur Diskussion: Die strafrechtliche und die zivilrechtliche. Sie haben
unterschiedliche Zielrichtungen. Die strafrechtliche Haftung will Schuld sühnen und potentielle
Folgetäter abschrecken, die zivilrechtliche Haftung hat den Ausgleich eines Schadens zum Ziel.
Unter Praxisbedingungen haben beide etwas mehr miteinander zu tun: Geschädigte lassen gerne
dem Strafrecht den Vortritt, um risikolos ihre Chancen sondieren zu können. Denn das Strafrecht
ist für den Anzeigeerstatter kostenfrei; im Zivilverfahren trifft ihn - bei Klageabweisung - das
volle Kostenrisiko.
Für beide Haftungen existieren zwei Anspruchsgegner: Der Amalgam-Hersteller (H) sowie der
behandelnde Zahnarzt (Z).
Bleiben wir zunächst bei der strafrechtlichen Haftung. Im Vordergrund steht hierbei die Straftat
der fahrlässigen Körperverletzung, und darauf soll sich der Übersichtlichkeit wegen die
Betrachtung auch konzentrieren. Sowohl im Verfahren gegen den H als auch gegen den Z ist die
Feststellung eines Kausalzusamennhanges zwischen dem Vertrieb bzw. der Verwendung des
Amalgams und gesundheitlicher Schäden erforderlich. Zweifel gehen immer zu Lasten der Justiz.
Die Kausalitätsfrage bildet den zentralen Punkt der strafrechtlichen Haftung.
Nachweisschwierigkeiten resultieren daraus, daß es verbindliche toxikologische Erfahrungswerte
oder gar Gesetzmäßigkeiten in diesem Zusammenhang nicht gibt. Wie auch in den anderen Fällen
der „schleichenden Vergiftung" ist der Kausalitätsbeweis in Form eines Indizienbeweises zu
erbringen. Es müssen so viele belastende Umstände zusammengetragen werden, bis sich ein
deutliches Nachweisbild ergibt. Namentlich kommen hierbei in Betracht: Toxizität des
Amalgams, Qualität der Verarbeitung, Gesundheitszustand des Geschädigten vor, während und
nach der „Amalgamzeit", Beschwerdebild, Ausschluß konkurrierender Beschwerdeursachen wie
chronisch Leiden und alternative Gifte.
Im Amalgambereich haben die Hersteller auch deswegen „gute Karten", weil sie mit gewisser
Aussicht auf Erfolg die zahlreichen neurologisch-psychiatrischen Auffälligkeiten der
Geschädigten, die sich als Folge der bevorzugten Einwirkung des Amalgams auf das
Nervensystem einstellen uminterpretieren können in die Ursache des „sich-krank-fühlens". Auf
der gleichen Schiene werden auch die Erfolge von Zahnsanierung und Entgiftungstherapie als
Placebo-Effekte diffamiert.
Daher ist es in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, daß als Sachverständiger
ein klinischer Toxikologe mit einschlägigen Erfahrungen mitwirkt.
Neben der Kausalität bedarf die strafrechtliche Verurteilung noch des Nachweises eines
Verschuldens. Im Fall der fahrlässigen Körperverletzung heißt das: H oder Z müssen
pflichtwidrig gehandelt haben. Das ist dann der Fall, wenn sie Amalgam vertrieben oder
angewendet haben, obwohl sie die krankmachende Wirkung des Mittel kannten oder kennen
mußten.
Dabei muß nun differenziert werden: Vor allem die großen H hatten aufgrund ihres Zugangs zu
der nationalen oder internationalen toxikologischen Literatur seit jeher um das mit dem
Amalgam verbundenen Risiko wissen müssen. Die im Rahmen des Frankfurter Amalgam-
Verfahrens gefertigte Literaturrecherche belegt sehr eindrucksvoll, daß seit den 20er-Jahren in
den medizinischen Fachkreisen (Schulmedizin !) Amalgam heftig angefeindet wird.
Bei den Zahnärzten ist das anders: Mangels Beipackzettel der Hersteller und mangels eigenen
toxikologischen Wissens kann man ihnen erst seti Anfang der 90er-Jahre - seit Einsetzen der
intensiven Amalgam-Diskussion - ein entsprechendes „wissen müssen" unterstellen.
Beide - H wie Z - machen sich aber nur dann strafbar, wenn sie ihre Kunden bzw. Patienten eine
umfassende Aufklärung verweigern. Mit anderen Worten : H haftet nicht, wenn er dem Abnehmer
seines Amalgams, das sind regelmäßig die Zahnärzte, über das Gefahrenpotential des Produkts
aufklärt. Im Beipackzettel muß detailiert auf sämtliche Risiken aufmerksam gemacht werden.
Dabei kommt es nicht darauf an, ob bestimmte Zusammenhänge bereits naturwissenschaftlich
bewiesen sind. Entscheidend ist allein, ob ernstzunehmende Stimmen entsprechende
Zusammenhänge für möglich halten. Das können selbstverständlich auch Alternativmediziner
sein. Auch deren Bedenken müssen in den Beipackzettel.
Für die Zahnärzte gilt entsprechendes: Sie müssen iher Patienten über das Amalgam-Risiko
frühzeitig, gründlich und umfassend aufklären. Nur dann ist ein Risiko bzw. ein späterer Schaden
von der Einwilligung des Geschädigten gedeckt und der Zahnarzt ist von der Haftung freigestellt.
Für die zivilrechtliche Haftung auf Schadenersatz und Schmerzensgeld gemäß § 823 BGB (Diese
Vorschrift steht in der Praxis an erster Stelle) gilt im Hinblick auf die Kausalität das zuvor
gesagte. Beim Verschulden liegt die Sache insofern anders, als hier eine Beweislast-Umkehr
greift: Der Kläger muß, wenn er die Kausalität unter Beweis gestellt hat, nicht mehr beweisen,
daß H oder Z schuldhaft gehandelt haben. Allerdings haben H und Z die Möglichkeit, ihr
Nichtverschulden zu beweisen. Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs umfaßt die
Beweislast-Umkehr auch die sogenannte Objektive Pflichtwidrigkeit. Konkret bedeutet das:
Wenn feststeht, daß ein bestimmter Gesundheitsschaden durch das Amalgam eines bestimmten
Herstellers verursacht worden ist, dann kann der Hersteller sich einer Haftung nur noch dadurch
entziehen, daß er darlegt und beweist, daß es trotz aller Anstrengungen nicht möglich war, die
Risiken zu erkennen und zu erfassen.
Rechtstheoretisch sieht es von daher für die Geschädigten - jedenfalls auf der zivilrechtlichen
Ebene - nicht schlecht aus. Die eher vorsichtig geäußerte Frage, ob denn auch der Zahnarzt auch
eventuell haftet, wird richtigerweise zunächst mit einer Gegenfrage versehen: Warum eigentlich
nicht ? Die Praxis sieht allerdings anders aus. Die Haftung von Hersteller oder Zahnarzt ist
immer noch eine Ausnahme - trotz der zahlreichen Schadensfälle. Auch das Frankfurter
Amalgam-Strafverfahren endete mit einer Einstellung, wenn auch gegen die Zahlung von 1,5
Millionen DM. Zwischen den modernen Erkenntnissen der Umweltmedizin und der juristischen
Praxis klafft immer noch eine große Lücke. Juristen brauchen manchmal sehr lang. Trotzdem:
Die Tendenz zu mehr Patientenschutz ist unverkennbar. Wohlüberlegt sollte dieser Weg weiter
beschritten werden.
A.d.R.: Prof. Dr. Erich Schöndorf war leitender Staatsanwalt im Holzschutzmittelprozeß und
im Amalgam-Ermittlungsverfahren 1995 gegen den größten deutschen Amalgamhersteller
DEGUSSA.


früher auf http://people.freenet.de/Gegen-Gift/Kieler%20Amalgamgutachten.txt