Klinisch-ökonomische Evaluation von Epikutantests bei putativer dentaler Werkstoffunverträglichkeit C. Baulig (1), R. Schieferdecker (1), M. Dziuk (2) und F. Krummenauer (1) (1) Bereich Klinische Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden, (2) Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Rheinland-Pfalz Hintergrund: Vermutete und angebliche Allergien gegenüber zahnärztlichen Werkstoffen stellen ein zunehmendes Problem bei der zahnärztlich-prothetischen Versorgung dar. Auf der Basis eines vorgelegten Allergiepasses treffen Zahnärzte ihre Entscheidungen für ein bestimmtes zahnärztliches Material nicht selten ohne Berücksichtigung von Validität und Aktualität der Eintragungen im Paß. Material und Methode: Um zahnärztlichen Empfehlungen für beantragte Materialien, aber auch die Qualität der durchgeführten Epikutantestungen selbst als Basis dieser Empfehlungen bewerten zu können, wurden retrospektiv dem MDK Rheinland-Pfalz vorgelegte Kostenübernahmeanträge von 83 Versicherten ökonomisch sowie die zugrundeliegenden Epikutantestprotokolle und Allergiepässe klinisch bewertet. Ergebnisse: Eine Indikation für eine Epikutantestung besteht nur bei manifesten Symptomen; diese waren lediglich bei 8% der auswertbaren Fälle gegeben, bei weiteren 21% lagen nur Angaben über indifferente Befindlichkeitsstörungen vor. Das notwendige Zeitintervall zwischen Applikation und relevantem Ablesezeitpunkt des Epikutantests (72 h) wurde bei 25% unterschritten. In 66 der 83 Fälle war ein Allergiepaß vorhanden, bei 70% war das Ergebnis der Epikutantestung korrekt in den Allergiepaß übertragen worden. Nur bei 3 dieser 66 Patienten war im Allergiepaß die klinische Relevanz des Testergebnisses dokumentiert. 10 der 83 beantragten Materialwechsel waren aus gutachterlicher Sicht medizinisch begründet, bei 42 Patienten (51%) wurde ein anderes, zweckmäßigeres Material empfohlen und in 37% der Fälle das Beibehalten des bestehenden Versorgungsmaterials als ausreichend und zweckmäßig angesehen, einem Patienten wurde eine weitere Abklärung empfohlen. Die vorgelegten Kostenübernahmeanträge übertrafen die Kosten, die auf der Basis einer medizinisch ausreichenden und zweckmäßigen Versorgung gegenkalkuliert wurden, im Median um 680 Euro (Quartilspanne 297 – 1.966 Euro). Summarisch beliefen sich die Kostenabweichungen bei den 83 Patienten auf 113.186 Euro, vor allem bedingt durch den hohen Anteil (65%) an intendierten prothetischen Versorgungen aus “Gold”. Zusammenfassung: Die Ergebnisse der Untersuchung demonstrieren eine limitierte Eignung des Allergiepasses und der darin enthaltenen Dokumentation von Epikutantestungen als Entscheidungshilfe für die Wahl eines dentalen (Ersatz-) Werkstoffs in der zahnärztlichen Praxis. Dennoch werden Allergiepässe häufig unkritisch als Grundlage der zahnärztlichen Entscheidungsfindung benutzt, was zu nichttrivialen klinischen und ökonomischen Auswirkungen führen kann. Korrespondenz an: Prof. Dr. rer. nat. F. Krummenauer Bereich Klinische Epidemiologie und Gesundheitsökonomie Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Fetscherstraße 74, Haus 29 D-01307 Dresden Email: Frank.Krummenauer@uniklinikum-dresden.de